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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Hause gesessen, und der Mann war immer weg. Emil der Blutrünstige hat er sich genannt, bloß mit Künstlernamen natürlich. Wenn der wirklich mal zu Hause war, denn war er aber auch mehr in der Kneipe, da hat er denn angegeben mit seiner Blutrünstigkeit und so. Vor'm Jahr ungefähr oder so is ihm denn die Christa durchgebrannt mit dem Klempner drüben von Aufeld. Kann man ja verstehen. Aber der Klempner war nu eigentlich auch nichts Besonderes, gesoffen hat er auch, bloß nich so viel. Na ja, und denn is die Frau Krüger gekommen, was die Carmen ihre Oma is, also die Mutter von dem Emil. Die stammt irgendwo aus'm Osten, so aus der Gegend von Berlin. Aber viel kümmern tut die sich nich um die Carmen, gerade man, daß sie ihr was zu essen gibt.«
    Abends hatte ich Frau Krüger persönlich auf dem Hals. Sie wedelte mit Steffis Kleid vor meinem Gesicht herum und legte los:
    »Wenn Se glooben, det wa Almosen brauchen, denn sind Se schief jewickelt. Ick kann die Carmen so ville Kleider koofen, wie ick will, aber ick will ja janich. Die macht ja doch allet wieda mistig. Und baden tun müssen Se ihr ooch nich. Die Carmen kommt jeden Sonnabend inne Wanne, aba am nächsten Tach is se doch wieda dreckig. Also lassen Se det jefälligst!« Damit warf sie mir das Kleid vor die Füße und watschelte gravitätisch davon.
    Rolf hatte den Krügerschen Monolog vom Treppenabsatz aus verfolgt und grinste mich jetzt schadenfroh an. »Kriegst du wieder deinen humanitären Fimmel? Vor drei Jahren waren es die italienischen Gastarbeiterkinder, die du unbedingt integrieren wolltest, vor zwei Jahren hast du streunende Katzen gesammelt und gefüttert, vergangenes Jahr wolltest du einen privaten Kindergarten gründen, und jetzt fängst du wieder an!«
    Er hat ja recht, der Ärmste. Ich werde also meine gelegentlich ausbrechenden sozialen Anwandlungen künftig innerhalb der Familie austoben. Am besten fange ich gleich damit an:
    »Will jemand ›Mensch ärgere dich nicht‹ mit mir spielen?«
    Den Namen ›die Mäuse‹ verdanken unsere Zwillinge einer Bekannten, die trotz zehnjährigem Aufenthalt im schwäbischen Musterländle ihre Münchener Herkunft nicht verleugnen konnte und bei der ersten Begutachtung unseres jüngsten Nachwuchses spontan ausrief:
    »Dös san aber zwoa herzige Meisle!« Von da an hießen die Zwillinge, wenn wir von ihnen als Einheit sprachen, nur noch ›die Mäuse‹. Manchmal führte diese Bezeichnung auch zu kuriosen Mißverständnissen. So stand ich einmal mit Sven beim Metzger und wartete. Wie immer war es voll, und wie immer hatte ich keine Zeit. Außerdem mußte ich noch die Wochenration Fertigbrei für die Zwillinge besorgen. Also drückte ich Sven Geld in die Hand und bat ihn: »Hol' doch inzwischen in der Drogerie eine Dose Mäusefutter.« Darauf drehte sich eine andere Kundin zu mir um und fragte mitleidig: »Ach, haben Sie auch welche? Wir haben schon Fallen aufgestellt!«
    Die Zwillinge hatten inzwischen ihren großen Laufstall – Mäusekäfig genannt – im Garten bezogen und fühlten sich ausgesprochen wohl darin. Daß sie ihren Vitaminbedarf von nun an vorwiegend mit Gras und Klee deckten, konnte ich nicht mehr verhindern, aber das Kuhfutter bekam ihnen offenbar ausgezeichnet. Bis weit in den Herbst hinein krebsten sie in ihrem Stall herum, waren braungebrannt und putzmunter. Aber schon im nächsten Frühjahr war der Mäusekäfig zum nutzlosen Dekorationsstück geworden. Die Zwillinge hatten ziemlich schnell entdeckt, daß sie – mit einem umgestülpten Sandeimer oder mehreren übereinandergestapelten Spielsachen als Podest – ohne Schwierigkeiten das Gitter überwinden konnten, und ich habe sie oft genug einfangen müssen, wenn sie in Richtung Dorf krabbelten.
    Aber es gab ja auch Regentage! Bekanntlich kann man schon ein Kleinkind, das anfängt, seine Umwelt zu erkunden, kaum ständig beaufsichtigen, bei zweien ist das unmöglich. Also versuchten wir, das Kinderzimmer ›mäusefest‹ zu machen. Tisch und Stühlchen flogen erst einmal hinaus, weil der Nachwuchs die Möbel als Wurfgeschosse und Kletterhilfen mißbrauchte. Das leichte Regal für die Spielsachen wurde ebenfalls entfernt, nachdem die Zwillinge – Einigkeit macht stark! – es umgekippt und sich selbst darunter begraben hatten. Die Steckdosen bekamen Schutzdeckel, die Wandlampen wurden abmontiert, und zum Schluß bestand die ganze Einrichtung nur noch aus den beiden Betten, der Wickelkommode und dem Kleiderschrank. Ich lief nur noch wie

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