Mit Fünfen ist man kinderreich
verlor.
Eigentlich hatte er während unserer Heidenberger Zeit nur einen einzigen ›richtigen‹ Freund, und das war Oliver. Er brachte ihn eines Tages mit nach Hause; als erstes fielen mir die sauberen Knie auf. Danach erst sein Hund! Ich bin als Kind von einem Schäferhund gebissen worden und habe seitdem einen gehörigen Respekt vor allen Hunden, die größer sind als Zwergpudel. Rex war nicht nur ein Schäferhund, er war auch ein besonders großes Exemplar dieser Rasse und trug einen Maulkorb.
»Der ist auf den Mann dressiert, aber wenn ich dabei bin, tut er Ihnen nichts«, versicherte mir Oliver. Ich war mir da nie so ganz sicher, denn Rex beobachtete mich unentwegt, und als ich einmal Olivers Teller wegnahm, um ihn nachzufüllen, knurrte das niedliche Tier und fletschte die Zähne. Anfangs erschien Oliver nie ohne seinen vierbeinigen Begleitschutz, später, als er dauerndes Heimatrecht bei uns genoß, ließ er ihn zu Hause.
Olivers Eltern waren geschieden; sein Vater, bei dem er lebte, besaß in Stuttgart eine Bar und war nachts fast nie zu Hause, was die Existenz von Rex rechtfertigte. Tagsüber schlief der Vater, wobei ihm des öfteren sehr attraktive Damen zur Seite lagen. »Die wollen mich dann immer abküssen und fragen mich, ob ich denn nicht wieder eine neue Mutter haben möchte, diese Schnallen!« empörte sich Oliver. Ich weiß heute noch nicht, was es mit dem Ausdruck auf sich hat, vermute aber, daß es nicht gerade ein Kompliment bedeutet.
Jedenfalls war Oliver fast täglich bei uns, obwohl wir keinen Swimmingpool besaßen und keine Hollywoodschaukel, Dinge also, um die Sascha seinen Freund glühend beneidete. Als ich einmal beim Elternabend in der Schule Olivers Vater kennengelernt hatte und am nächsten Morgen erzählte, daß ich ihn sehr sympathisch fände, platzte Sascha heraus: »Siehste, den hättest du heiraten müssen, dann hätte ich jetzt auch einen eigenen Fernseher im Zimmer und eine elektrische Eisenbahn!«
Sven ist in der Auswahl seiner Freunde entschieden zurückhaltender als sein Bruder. Er findet zwar immer schnell Anschluß, aber es dauert lange, bis er richtig warm wird, und noch länger, bis er einen echten Freund gefunden hat. Den gibt er dann allerdings auch nicht so schnell wieder auf.
In Heidenberg fand er einen. Der hieß Sebastian, trug eine Brille, war lang und dürr und ausgesprochen maulfaul. Gesprächig wurde er nur dann, wenn er über Pflanzen und Tiere reden konnte. Folglich hatte er in Sven den richtigen Gesprächspartner, der sich ohnehin verkannt fühlte, weil sich niemand sonst in der Familie für zerlegte Spinnen und einbalsamierte Mistkäfer begeistern konnte. Sebastian besaß ein noch größeres Mikroskop als Sven, hatte noch mehr Fachbücher und betrieb die Insektenforschung schon seit einigen Jahren, während Sven sich erst seit kurzer Zeit intensiv damit beschäftigte. Außerdem pflegte Sven seine erlegte Beute auf Stecknadeln zu spießen und auf Papptafeln zu befestigen, während Sebastian sein Viehzeug in Spiritus konservierte. Ständig schleppte er Marmeladengläser mit irgendwelchem Gewürm an, das die beiden Forscher stundenlang sezierten, einfärbten oder sonstwie bearbeiteten. Schließlich erklärte Sascha, wenn das ganze Eingemachte nicht bis zum nächsten Morgen verschwunden sei, würde er die Gläser in die Mülltonnen werfen. Darauf packten die Amateurentomologen ihre Insektenleichen und Mikroskope zusammen, luden den ganzen Kram auf einen Leiterwagen und karrten ihn zu Sebastian, wo sie ihre Forschungen so lange fortsetzten, bis sie auch dort hinausflogen. Das war dann wohl auch der Zeitpunkt, an dem sie beschlossen, eine Hamsterzucht zu beginnen. Sie legten ihr Taschengeld zusammen, kauften ein Hamsterweibchen, das sie folgerichtig Elsa tauften, erstanden Hamsterwatte und irgendein Kräftigungsmittel für werdende Hamstermütter, steckten alles zusammen in Lohengrins Käfig und bezogen davor Posten. Nun bin ich über das Liebesleben von Goldhamstern nicht genügend informiert, aber mich würden ständige Zuschauer stören. Die Hamster störte das offenbar auch, jedenfalls tat sich gar nichts. Die Begründer der künftigen Hamstergeneration nahmen nicht die geringste Notiz voneinander, und ich war darüber eigentlich ganz froh, denn eine Vergrößerung unseres Zoos hielt ich für überflüssig. Neben den beiden Hamstern beherbergten wir seinerzeit noch folgende Haustiere:
Die Schildkröte Amanda, Hinterlassenschaft eines Ehepaares, das nach
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