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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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eingeschult wurde, merkte man tatsächlich nichts mehr von ihrem Gehfehler; heute ist sie ein bildhübsches Mädchen und eine gute Sportlerin.
    Damals, als Steffi sie zum erstenmal mit nach Hause brachte, war sie ein gehemmtes und verschüchtertes kleines Ding, das sich kaum über die Schwelle traute und krampfhaft Steffis Hand festhielt. Die Dorfkinder spielten nicht mit ihr, denn sie konnte ja nicht richtig laufen, nicht Rollschuhfahren, nicht schwimmen, nicht Fußballspielen, ja, nicht einmal radeln. Folglich war sie ›a wenig bleed‹, und mit Blöden will man nichts zu tun haben.
    In Stefanie erwachten Beschützerinstinkte. Einmal prügelte sie sich mit einem viel älteren Mädchen herum, weil es Rita gehänselt hatte, ein anderes Mal warf sie einem Jungen einen dicken Lehmbrocken an den Kopf und drohte ihm weitere Vergeltungsmaßnahmen seitens ihrer Brüder an, »wenn du noch mal die arme Rita hinschubst!« Die arme Rita taute zusehends auf, gewann an Selbstbewußtsein, und wenn Steffi bei ihr war, ließ sie sich sogar auf kleinere Scharmützel mit Gleichaltrigen ein.
    Stefanie wiederum lernte, auf ihre neue Freundin Rücksicht zu nehmen, zähmte ihren Abenteuerdrang und kam jetzt manchmal sogar halbwegs sauber nach Hause. Außerdem bekam sie Spaß an Spielen, die sie vorher abgelehnt hatte. Puppen fand sie zwar immer noch doof, aber etwas anderes war es, für Puppen zu kochen. Rita besaß einen elektrischen Kochherd, auf dem sie gemeinsam alles zusammenbrodelten, was mir Steffi vorher aus der Küche geklaut hatte. Schlimm wurde es nur, wenn ich das Endprodukt kosten und bewerten mußte. Ich kann mich noch an die köstliche Suppe erinnern, die aus Kaviar (es war nur deutscher, aber immerhin!), Haferflocken, Büchsenmilch und tiefgefrorenem Dill bestand. Viel größere Fortschritte haben Stefanies Kochkünste bis heute noch nicht gemacht, aber sie würde jetzt wenigstens nicht mehr den Zucker vergessen!
    Neben den offiziellen und von allen Familienmitgliedern tolerierten Tieren gab es noch eine ganze Menge unerwünschtes Viehzeug. So suchten wir einmal vier Tage lang ein Heimchen, das irgendwo im Haus hockte und uns mit seinem ununterbrochenen Zirpen langsam wahnsinnig machte. Gefunden haben wir es nicht, wahrscheinlich hatte es hinter einem Schrank gesessen, den wir auch mit vereinten Kräften nicht wegrücken konnten.
    Dann wieder hatte sich in den Keller ein Maulwurf verirrt, dem ich mit Handfeger und Kehrblech zu Leibe rückte, weil ich ihn im Halbdunkel für ein Häufchen Gartenerde hielt. Mein durchdringendes Geschrei, als sich die Erde plötzlich bewegte, muß höchste Alarmstufe signalisiert haben, denn noch niemals hatten sich die überall verstreuten Familienmitglieder so schnell zusammengefunden. Sascha hatte sich sogar mit einem Skistock bewaffnet, um den Einbrecher, oder wen immer er anzutreffen erwartet hatte, in die Flucht zu schlagen.
    Einmal gab es eine Ameiseninvasion. Als die Vorhut in der Küche auftauchte, nahm ich das nicht weiter tragisch, außerdem waren diese Tiere kleiner als 1 cm und fielen somit noch nicht der Ausrottung anheim. Dann wurden es mehr, ich fegte sie auf den kleinen Küchenbalkon und von dort in den Garten. Es kamen neue. Ob es dieselben waren, wußte ich nicht, jedenfalls deckte ich die Lebensmittel ab und besprühte die Ameisen mit Insektenspray. Das kannten sie noch nicht und fanden es herrlich. Ich schrie nach Sven. Der betrachtete die krabbelnden Eindringlinge mit wissenschaftlichem Interesse, behauptete, ›so welche‹ noch nie gesehen zu haben und verschwand nach draußen. Kurz darauf holte er mich, und gemeinsam bestaunten wir eine Ameisenkarawane, die in eine Mauerritze marschierte, um dann irgendwo in der Küche wieder aufzutauchen, vermutlich hinter dem Einbauschrank. Sven streute draußen Zucker, um die Kolonnenspitze in eine neue Richtung zu lenken, ich streute drinnen, um die bereits eingedrungenen Truppen an einer Stelle zu sammeln. Sven verbrauchte zwei Pfund Zucker, dann hatte er die beginnende Invasion abgewendet und die Aggressoren in das Brennesselfeld getrieben. Ich brauchte nur eine Tasse voll Zucker, aber ein paar Eßlöffel voll Petroleum, dann hatte ich die Küche zurückerobert.
    An einem besonders heißen Abend – Rolf war nicht zu Hause, und die Knaben lagen deshalb noch vor dem Fernseher und sahen sich irgendeinen blutrünstigen Western an – saß ich in meinem Sessel, versuchte, in das Geschehen auf dem Bildschirm einen Sinn zu kriegen,

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