Mit Fünfen ist man kinderreich
später modern wurde. Stefanie hatte sowieso lange Haare, da kam es auf ein paar Zentimeter mehr oder weniger nicht an, und was ihr ins Gesicht hing, schnitt ich selber ab. Die Zwillinge brauchten noch keinen Friseur, und Rolf ließ sich jedesmal woanders die Haare schneiden, schließlich war er der einzige, der regelmäßig in zivilisierte Gebiete kam. Die Leidtragende war, wie üblich, ich.
Nun gab es in Aufeld sogar einen recht ordentlichen Friseur, aber der hatte unlängst einen Hauptgewinn im Lotto gemacht und verlangte nur noch halbe Preise. Daraufhin wuchs seine Kundschaft auf das Dreifache an, und man mußte sich vorher anmelden. Also probierte ich die Do-it-yourself-Methode, aber das Ergebnis befriedigte lediglich die Kinder, die jedesmal in Freudengeheul ausbrachen, wenn ich die Lockenwickler entfernt hatte. »Heute siehst du aus wie Struwwelpeter«, jubelten sie, oder »hast du dich mit der Drahtbürste gekämmt?« Als Rolf mir eines Tages vorschlug, meine Haare zu einem Dutt zusammenzudrehen und im Nacken festzustecken, weil ich das wohl am ehesten fertigbringen würde, sattelte ich Hannibal, fuhr nach Heilbronn und ließ meine ganze Haarpracht auf Streichholzlänge kürzen. Das hielt dann eine Weile vor.
Wir hatten schon immer einen großen Bekanntenkreis, aber wie groß der war, stellte sich erst heraus, als wir bereits einige Wochen in Heidenberg lebten und sich der neuerliche Wohnungswechsel herumgesprochen hatte.
Nun habe ich recht gern Gäste, vor allem, wenn es solche sind, die auch mal zum Abtrockentuch greifen oder mithelfen, Brötchen zu schmieren. Die meisten unserer damaligen Besucher erschienen allerdings nur in der Küche, um einen Korkenzieher zu holen oder zu fragen, wo das Sonnenöl steht. Das waren aber überwiegend Rolfs Gäste. Er pflegt sich von Gelegenheitsbekanntschaften immer mit den Worten zu verabschieden: »Wenn Sie in unsere Gegend kommen, dann besuchen Sie uns doch mal.« Manchmal erkannte er sie gar nicht wieder und war überrascht, wenn ihm ein jovial aussehender Mann mit Glatze auf die Schulter schlug und freudestrahlend ausrief: »Na, alter Junge, Sie hätten wohl nicht geglaubt, daß Sie den lieben Kurt so schnell wiedersehen, nicht wahr?« Der liebe Kurt entpuppte sich dann als Gastwirt aus Bochum, bei dem Rolf irgendwann einmal genächtigt hatte.
Am schlimmsten aber sind jene Besucher, die ihre eigenen Wohnungen nur zum Schlafen benutzen und an den arbeitsfreien Wochenenden ihre sogenannten Freunde heimsuchen. Ich stelle mir immer vor, daß sie eine Liste mit den einschlägigen Adressen haben und jedesmal Häkchen machen, damit nicht einer zu oft an die Reihe kommt. Diese Art Gäste erscheint in der Regel sonntags zwischen zehn und elf, wenn man im Bademantel oder unrasiert und mit Lockenwickel im Haar beim verspäteten Frühstück sitzt. »Laßt euch nur nicht stören, wir wollten nur mal schnell guten Tag sagen, weil wir gerade in der Nähe waren.«
Wir – das sind Ehefrau, zwei bis drei Kinder und manchmal noch Mutter oder Schwiegermutter, die sich auf die Terrasse setzen, die himmlische Ruhe, den herrlichen Garten und den ausgezeichneten Wein genießen, während man selbst mit fliegenden Händen Garderobe und Frisur in Ordnung bringt und sich überlegt, ob man das Mittagessen eventuell mit Nudeln verlängern kann.
Oder es kamen alleinstehende Damen, die wir kennengelernt hatten, als sie noch nicht alleinstehend waren. Diese Besucherinnen mochte ich nun überhaupt nicht. Erstens sahen sie immer aus, als seien sie einem Modejournal entstiegen, zweitens wollten sie nicht nur mein Sonnenöl benutzen, sondern auch noch meine Badeanzüge (»ich habe leider keinen dabei«) und meine Dusche, und drittens tranken sie unentwegt Alkohol, so daß wir sie abends nicht mehr ans Steuer lassen und ihnen Asyl gewähren durften.
Dann waren mir schon jene Besucher lieber, die sich telefonisch anmeldeten (»Wir kommen morgen mal bei euch vorbei, ja?«), wie Heuschrecken bei uns einfielen und alles Eßbare ratzekahl wegfraßen, weil Landluft so hungrig macht.
Anfangs fand Rolf die ständig wechselnden Gästescharen ganz lustig, zumal sich seine Aufgabe darin erschöpfte, Flaschen zu öffnen und die Unterhaltung zu bestreiten. Ich stand unterdessen in der Küche, spülte Gläser, kochte Kaffee, toastete Weißbrot, spülte Tassen, schmierte Brote, spülte Teller und träumte vom Leben auf einer einsamen Insel, die nur per Hubschrauber zu erreichen ist. Wenn wir dann so zwischen
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