Mit Fünfen ist man kinderreich
würde solche Gäste hinauswerfen, ich soll sie alle zufriedenstellen.
Deshalb ärgere ich mich auch immer, wenn im Fernsehen irgendwelche Berühmtheiten interviewt werden und größtenteils behaupten, leidenschaftlich gern zu kochen. Etwas später sieht man sie im Nachmittagskleid mit Tändelschürzchen, wie sie – des Farbeffekts wegen – eine rote Paprikaschote zerschneiden oder Petersilie von den Stengeln zupfen. Die Küche ist makellos sauber und aufgeräumt, auf dem leeren Tisch steht ein großer Blumenstrauß, auf dem Abtropfbrett ein gefüllter Obstkorb, und während die Berühmtheit zwei ohnehin saubere Kaffeetassen unter fließendem Wasser abspült, versichert sie lächelnd, daß sie natürlich auch den ganzen Abwasch erledigt. Dann präsentiert sie das inzwischen fertige Gericht, meist eine sehr farbenfreudige Komposition mit ausländischem Namen, legt die Petersilie an den Plattenrand und meint mit bedauerndem Blick in die Kamera: »Leider habe ich viel zu selten Zeit zum Kochen!«
Omi dagegen kocht wirklich gern. Darüber hinaus ist sie froh, endlich wieder einmal mit größeren Mengen hantieren zu können, denn ›für mich allein lohnt sich die ganze Kocherei ja gar nicht, manchmal esse ich drei Tage lang das gleiche‹. Außerdem berücksichtigt sie auch die ausgefallensten Menüvorschläge und hat Sven tatsächlich einmal den gewünschten Milchreis mit Schokoladensoße serviert.
Das Telegramm ›Ankomme Freitag Heilbronn 17 Uhr‹ löste also helle Begeisterung aus. Sven beschloß, nach der Schule zum Friseur zu gehen, denn wenn Omi auch seine verwaschenen Jeans und die ausgeleierten T-Shirts stillschweigend akzeptiert, so hatte sie seine wallende Lockenpracht schon immer bemängelt. »Du siehst aus wie ein Indianer!« hatte sie ihrem Enkel erklärt, »aber wie ein degenerierter!« Sven hatte sich das Wort übersetzen lassen, aber es schien ihn damals nicht sehr beeindruckt zu haben.
Trotzdem stand er am Ankunftstag mit wesentlich kürzeren Haaren als üblich und in seiner zweitbesten Hose auf dem Bahnsteig, bewaffnet mit einem Blumenstrauß und Pfefferminzplätzchen, Omis kalorienreichem Laster. Ich kurvte inzwischen in Bahnhofsnähe herum und suchte einen Parkplatz. Natürlich gab es keinen, also blieb ich mit laufendem Motor im Halteverbot stehen und hoffte nur, daß der Zug keine Verspätung haben würde. Er hatte keine, und bald erschien eine strahlende Omi mit einem riesigen Paket im Arm und neuem Hütchen auf dem Kopf, eskortiert von dem paketbeladenen Sven und einem Gepäckträger, der zwei Koffer schleppte.
»Ich hätte die Geschenke ja auch hier kaufen können«, entschuldigte sie sich, als wir die Koffer und Schachteln endlich untergebracht hatten, »aber in Braunschweig weiß ich, wo ich das Richtige bekomme, und das meiste habe ich sowieso schon im Oktober besorgt, da kann man noch in Ruhe aussuchen!«
Typisch Omi. Einmal hatte sie im Winterschlußverkauf einen herrlichen Kaschmirpullover erstanden, den sie mir elf Monate später unter den Weihnachtsbaum legte. »So etwas wird nie unmodern!«
Die Mitteilung, daß Rolf sie leider nicht hatte abholen können, weil er wieder mal seine Grippe pflegte, nahm sie mit Gleichmut auf. »Kuriert er sich mit Cognac oder Rum?«
Im Gegensatz zu vielen Müttern einziger Söhne sieht Omi in ihrem Abkömmling keineswegs die Krone der Schöpfung, die auf einen Denkmalsockel gehört und von weniger vollkommenen Menschen bewundert werden muß. Sie betrachtet Rolf vielmehr als das, was er wirklich ist: Ein liebenswerter Durchschnittsmann mit vielen guten Eigenschaften und mindestens ebenso vielen Fehlern.
Deshalb musterte sie ihren Einzigen auch ziemlich mitleidlos und schnitt seine gekrächzten Begrüßungsworte kurzerhand ab.
»Wenn du krank bist, gehörst du ins Bett. Wenn du dich nicht ins Bett legen willst, bist du auch nicht krank. Also zieh diesen albernen Fummel aus (gemeint war der Hausmantel) und komm in einem normalen Aufzug wieder!«
Rolf verschwand tatsächlich, flüsterte mir aber vorher noch zu: »Man kommt sich in ihrer Gegenwart immer wie ein Schuljunge vor!«
Übrigens hätte er gar nicht zu flüstern brauchen. Omi hat nämlich ein Leiden, das sie zwar ziemlich erfolgreich kaschiert, aber Verwandte und Freunde wissen natürlich Bescheid. Omi ist schwerhörig und benutzt ein Hörgerät. Dieses ist sehr geschickt in dem Bügel einer modischen Brille verborgen und wird von Batterien gespeist, die in regelmäßigen Abständen
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