Mit Fünfen ist man kinderreich
ausgewechselt werden müssen. Omi selbst merkt in den seltensten Fällen, wenn ihre Batterie schwächer wird, aber uns fällt ihre zunehmende Schweigsamkeit natürlich auf, und Sascha pflegt in derartigen Fällen mit dem ihm eigenen Takt loszubrüllen: »Omi, dein Hilfsmotor pfeift auf dem letzten Loch!«
Immer dann, wenn Omi ihre fest terminierte Rückreise plötzlich vorzuverlegen wünscht, wissen wir genau, daß ihr mitgebrachter Batterievorrat zur Neige geht. Aber ebenso regelmäßig händigt sie Rolf schließlich mit unwirscher Miene das Rezept aus, mit dem er Nachschub besorgen kann. »Sei nicht so empfindlich, Mutter, Schwerhörigkeit ist doch keine Schande.«
»Ein besonderer Vorzug aber auch nicht!«
Mit Omis Ankunft kehrte allmählich ein bißchen Ruhe in unseren quirligen Haushalt ein, und sogar unser Nachwuchs besann sich auf die ihm früher einmal eingetrichterten Umgangsformen. Sven brachte seine Wünsche wieder in Form einer Bitte vor und nicht mehr im sonst üblichen Befehlston, Sascha strich vorübergehend die Kraftausdrücke aus seinem Vokabular, und Stefanie begehrte plötzlich, Kleider zu tragen. »Omi sagt immer Max zu mir!«
Omi überwachte unermüdlich die Gehversuche der Zwillinge, Omi las Steffi zum 37. Mal das Märchen von den sieben Geißlein vor, Omi bewunderte mit sichtlichem Interesse Svens zoologische Experimente und ließ sich willig den Unterschied zwischen einem Fliegen- und einem Wespenauge erklären. Omi entfernte stillschweigend Tintenflecke aus Saschas Pullovern und festgeklebte Kaugummis aus seinen Hosentaschen, Omi bedauerte mit verständnisvoller Miene ihren total überarbeiteten Sohn, entzog ihm den Whisky und empfahl ihm statt dessen, lieber vor Mitternacht ins Bett zu gehen. Für mich hatte sie auch einen guten Rat: »Fahr doch mal zwei oder drei Wochen lang weg und laß deine Familie allein zurechtkommen. Du wirst dich wundern, wie zuvorkommend du nach deiner Rückkehr behandelt wirst.«
Ich hatte ein bißchen Angst gehabt vor der ersten Begegnung zwischen Omi und Wenzel-Berta, denn zwei verschiedenere Charaktere als die beiden konnte man sich gar nicht denken. Wenzel-Berta, die niemals ein Blatt vor den Mund nahm und ungeniert ihre Meinung äußerte, und Omi, die bei aller Toleranz und ungekünstelter Liebenswürdigkeit doch sehr distinguiert ist und immer eine gewisse Distanz wahrt. Als ich die beiden aber bei einem fachmännischen Disput über Strickmuster erwischte, wußte ich, daß das Eis gebrochen war.
Wenzel-Berta erklärte mir dann auch bei der ersten Gelegenheit: »Ihre Schwiegermutter, das ist 'ne hochfeine Frau.« Und Omi kam zu einem ähnlichen Resultat: »Du weißt gar nicht, was du an Frau Wenzel hast, solche Perlen gibt es doch heute gar nicht mehr.«
Das wußte ich recht gut, und ich hatte mir schon seit Tagen den Kopf zerbrochen, womit ich ihr zu Weihnachten eine Freude machen könnte. Rolf war der Meinung, ein Geldschein sei das Beste. Ich war dagegen. Omi auch.
»Ihr könnt Frau Wenzel nicht so unpersönlich abspeisen, außerdem braucht sie das Geld gar nicht. Schenkt ihr ein kleines Schmuckstück, dann fühlt sie sich nicht als Dienstbote behandelt und hat gleichzeitig ein Andenken an euch.« Omis Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, und ich besorgte eine kleine goldene Anstecknadel. Wenzel-Berta zerfloß förmlich vor Rührung.
»Ne, so was Schönes aber auch. Und ganz echt! Nu kann ich endlich das bunte Ding wegschmeißen, was mir meine Schwägerin zur Silberhochzeit geschenkt hat, weil das hat mir nie gefallen, und drei lila Steine fehlen auch schon.«
Omi übernahm auch die restliche Weihnachtsbäckerei. Meine Kenntnisse reichten damals gerade für die Fabrikation von Haferflockenplätzchen und ›Ausstecherles‹, das heißt, ich durfte den Teig vorbereiten, den Rest besorgten die Kinder. Anfangs benutzten sie die dafür vorgesehenen Formen, später bauten sie aus einzelnen Teigstücken fantasievolle Gebilde zusammen, die sie als Schlitten oder Schornsteinfeger deklarierten, und die sich in den seltensten Fällen zusammenhängend vom Blech lösen ließen. Zum Schluß klebten alle Schränke vom Zuckerguß, Mehlspuren zogen sich bis in die hintersten Zimmer, und überall trat man auf Mandeln oder Schokoladenstreusel.
Omi warf deshalb kurzerhand alle Unbeteiligten hinaus, erklärte die Küche zum Sperrgebiet und fabrizierte Köstlichkeiten, die auch noch genauso aussahen wie die Abbildungen in den Kochbüchern. Zum Leidwesen der
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