Mit Fünfen ist man kinderreich
er nun eigentlich spielte.
»Das soll eine Überraschung werden!«
Endlich war der vierte Adventssonntag da, endlich wardas Mittagessen vorbei, und Sascha trieb mich zur Eile an.
»Wir haben um drei Generalprobe!«
»Na und? Du hast noch anderthalb Stunden Zeit.«
»Aber wir müssen uns doch umziehen und schminken und Stühle aufstellen und …«
»Schon gut, ich bringe dich rüber!«
Vor der Tür des Gemeindehauses verabschiedete er sich hastig. »Fahr ruhig wieder nach Hause, wir werden nachher von Herrn Kroiher abgeholt.«
Um sechs Uhr war er wieder da, schlang etwas Eßbares in sich hinein, griff sich noch ein paar Äpfel und trabte wieder los. Vorher hatte er uns aber noch ermahnt, nicht zu spät zu kommen, es würde sicher voll werden. »Wir dürfen bloß zwei Plätze reservieren, und ihr wollt doch alle kommen. Also beeilt euch!«
Rolf hatte schon den ganzen Tag nach einer plausiblen Ausrede gesucht, um sich vor dem Theaterbesuch drücken zu können. Zwar hatte er mit viel Liebe und Zeitaufwand die Einladungen entworfen und drucken lassen, aber nach seiner Ansicht hatte er damit genug getan. Seine Anwesenheit bei der Aufführung hielt er für völlig unnötig. Und als Sascha ihm auch noch erzählte, daß eine offizielle Danksagung vor versammeltem Publikum geplant war, hätten ihn keine zehn Pferde mehr in den Gemeindesaal gebracht. So war er heilfroh, als Wenzel-Berta sich erkundigte, ob wir sie mitnehmen könnten. »Aber wenn Se wen für die Mädchen zum Aufpassen brauchen, bleibe ich da, weil im Fernsehen kommt ja auch was Schönes.«
Rolf beteuerte wortreich, daß er gerne als Babysitter zu Hause bleiben würde. Außerdem hätte er noch zu arbeiten. (Haha, die Arbeit kenne ich! Ruhestellung auf der Couch, rechts einen Teller mit Weihnachtsgebäck, links ein Glas Wein, Plattenspieler mit Gershwin-Melodien in Reichweite, und auf dem Tisch die noch nicht gelesenen Zeitungen der vergangenen Woche!)
Trotzdem würde Sascha mit vier Claqueuren rechnen können, denn Omi wollte sich die Bühnenpremiere ihres Enkels natürlich auch nicht entgehen lassen und hatte sogar die noch gar nicht ganz verbrauchte
Batterie in ihrem Hörapparat ausgewechselt. Sven stolzierte bereits im Sonntagsstaat herum und fühlte sich sehr unbehaglich, aber Sascha hatte uns festliche Kleidung vorgeschrieben. »Und komm bloß nicht wieder in Hosen!« hatte er mich nachdrücklich ermahnt.
So stand ich also vor dem Kleiderschrank und überlegte, welches Kleid dem feierlichen Anlaß wohl angemessen sei. Ich entschied mich für das schwarze Kostüm, das mir immer einen so seriösen Anstrich verleiht und deshalb offiziellen Gelegenheiten vorbehalten ist wie Beerdigungen und privaten Unterredungen mit Lehrern. Omi kam in Silbergrau, und Wenzel-Berta erschien in dunkelblauem Taft. Wir sahen alle sehr feierlich aus!
Der Gemeindesaal war schon ziemlich voll, total überheizt und stockdunkel. Lediglich der Weihnachtsbaum im Vorraum spendete zaghaftes Kerzenlicht und beleuchtete zwei Herren in schwarzen Anzügen, die am Sicherungskasten herumwerkelten. Die zusätzlich montierten Scheinwerfer hatten das Stromnetz zusammenbrechen lassen. Zum Glück befanden sich die beiden ansässigen Elektriker schon unter den Zuschauern, und nach einer halben Stunde brannten zumindest die Scheinwerfer wieder. Die Saalbeleuchtung hatte man vorsichtshalber abgeschaltet.
Links von der Bühne stand ein zweiter Weihnachtsbaum, rechts davon hatte man die vier Oleanderbäume aufgestellt, die sonst bei Hochzeiten das Kirchenportal schmücken. Die Feuerwehrkapelle schmetterte Marschmusik, aber als es wieder hell wurde und die Noten endlich zu erkennen waren, gingen die Musiker zu Weihnachtsliedern über.
Sascha hatte kurzerhand vier Plätze in Beschlag genommen – zwei davon standen eigentlich Olivers Angehörigen zu, aber die kamen ohnehin nicht –, und Herr Dankwart geleitete uns persönlich zur dritten Reihe, nachdem er bedauernd zur Kenntnis genommen hatte, daß Rolf wegen des unverhofften Besuchs eines Geschäftsfreundes leider hatte zu Haus bleiben müssen.
Die Kapelle schwieg noch. Im Gänsemarsch erschienen dann weißgekleidete Mädchen mit Blockflöten, angeführt von Fräulein Priesnitz, die ein Akkordeon schleppte. Man formierte sich im Halbkreis, dann wurde ›Vom Himmel hoch … ‹ intoniert. Danach betrat ein himmelblau gekleideter Engel die Bühne, knickste und begann ein Weihnachtsgedicht. Nach der dritten Zeile stockte der Engel, blickte
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