Mit Fünfen ist man kinderreich
auf der Bahn gelegen hatte und bei jedem längeren Aufenthalt von Rot-Kreuz-Schwestern mit einer kakaoähnlichen Flüssigkeit gelabt worden war. Dieses Gebräu wurde mit einer Blechkelle in ein Kochgeschirr gekippt und schmeckte gräßlich. Jahre später bekamen wir die sogenannte Schulspeisung, die ebenfalls mit Blechkelle aus eimerähnlichen Gefäßen verteilt wurde. Seitdem habe ich eine Abneigung gegen Blechgeschirr und Blechbesteck.
Heiligabend war da! Er begann sehr irdisch mit einer zünftigen Prügelei zwischen den Jungs, weil Sven seinen Bruder verdächtigte, er habe das Weihnachtsgeschenk für seinen Freund Sebastian beschädigt. Es handelte sich hierbei um ein sorgfältig präpariertes Exemplar der Gattung Lepidopteren, Unterart Cecropia-Spinner (allgemein verständlich ausgedrückt: ein Schmetterling). Selbigen hatte Sven in Gießharz eingebettet, und nun fehlte eine Ecke. Saschas Unschuldsbeteuerungen waren bis in den ersten Stock zu hören, die folgende handgreifliche Auseinandersetzung ebenfalls. Es war gerade sechs Uhr, draußen goß es in Strömen, und ich dachte wieder einmal an Burma oder Thailand.
Nach dem Frühstück verschwand Omi in der Küche, lehnte meine Mithilfe ab und erklärte mir, ich hätte vermutlich etwas anderes zu tun als Karpfen zu schuppen. Aber wenn mir gar nichts Besseres einfiele, könne ich den Zwillingen Weihnachtslieder vorsingen. Die hätten sowieso noch kein Musikverständnis, denn ihr doppelstimmiges Geschrei ließe bisher noch jede Klangreinheit vermissen.
Also begab ich mich zu den Mäusen und anschließend auf die Terrasse, wo Rolf mit Beil und Zollstock hantierte und die Aufgabe zu lösen versuchte, einen 16cm dicken Stamm in eine 7 cm breite Öffnung zu quetschen. Er hackte verbissen den Stamm auf den erforderlichen Umfang zurück, und dann trat genau das ein, was Sven schon gestern prophezeit hatte: Der Baum kippte gemächlich zur Seite und flog gegen die Scheibe.
»Ich glaube, wir müssen das Ding irgendwo eingipsen«, meinte der Verfechter meterhoher Weihnachtsbäume.
»Und wo kriegen wir jetzt Gips her?«
»Das weiß ich auch noch nicht.«
Bis zum Mittagessen hatten wir das Problem noch immer nicht gelöst. Sven meinte zwar, man könnte ja einen Haken in die Decke bohren und die Baumspitze daran festbinden, aber erstens hatten wir keinen passenden Haken, und außerdem ›wie soll denn das aussehen?‹
»Kann man statt Gips nicht auch Zement nehmen?« fragte Omi.
Das war die Lösung! Sascha, der dank seiner Kontaktfreudigkeit inzwischen fast alle Dorfbewohner kannte und am ehesten herauskriegen würde, wo man jetzt noch Zement auftreiben konnte, wurde in Marsch gesetzt. Nach einer Stunde schob er keuchend eine Kinderschubkarre den Berg herauf, beladen mit einem viertel Sack Zement.
»Schönen Gruß von Herrn Brozinski und frohe Feiertage, und so was Depperts hat er noch nicht gehört, daß man Weihnachtsbäume einzementiert.«
Rolf legte das halbe Wohnzimmer mit Zeitungen aus und erklärte, er müsse die notwendigen Arbeiten hier drin ausführen, weil man den Baum samt seinem Sockel später bestimmt nicht mehr bewegen könne.
»Wie kriegen wir ihn dann wieder raus?« wollte Sven wissen.
»Darüber zerbrechen wir uns den Kopf im nächsten Jahr.«
Omi äußerte die Befürchtung, das tragische Schicksal ihres Urgroßvaters, der im Irrenhaus gestorben war, könne sich jetzt bei ihrem Sohn wiederholen. »Erbkrankheiten überspringen doch immer mehrere Generationen?!«
Es war halb drei, als Sven die Frage aufwarf, in welchem Gefäß denn eigentlich der Zement angerührt werden sollte. Ich brachte einen Plastikeimer an.
»Viel zu klein«, lehnte Rolf ab, »geh doch mal zu Wenzels, vielleicht haben die was Passendes.«
Wenzel-Berta füllte gerade die Weihnachtsgans und verwies mich an ihren Mann. Der hörte sich kopfschüttelnd meine Geschichte an und wandte sich an den Bundeswehr-Sepp. Sepp wußte Rat.
»Nehmen Sie ein Bierfaß, ich besorge Ihnen schnell eins.« Bei seinen engen Beziehungen zu Häberles Tochter würde ihm das nicht schwerfallen. Er half auch noch bei der Zubereitung des Zementbreis und bei dem anschließenden Einpflanzen der Tanne.
»Ein paar Stunden wird es aber dauern, bis das Zeug fest geworden ist und der Baum allein steht.«
»Soll ich den etwa so lange halten?« protestierte ich. Mein Arm war schon ganz lahm.
»Wir binden ihn an!« entschied Rolf, schlug ein paar Nägel in die Wand, wickelte Bindfaden um den Stamm und
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