Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Vergnügen – hoffentlich wird's eins!«
    Die Festsäle befanden sich in den Gewölben des ausrangierten Weinkellers, in dem die Winzer ihre Fässer lagerten, als sie den Wein noch selbst kelterten. Seit Jahren wurden die Trauben aber zur Genossenschaftskelterei gebracht, wo sie alle in einen Topf kamen, geheimnisvollen Prozeduren unterworfen wurden und Monate später, inzwischen auf Flaschen gezogen, als ›Heidenberger Sonnenhalde‹ in den einschlägigen Geschäften der näheren Umgebung zu kaufen waren.
    Nun war der Weinkeller verwaist, diente Spinnen und einzelnen Fledermäusen als Unterkunft und gelegentlich auch Ausflüglern, wenn Frau Häberle an besonders heißen Tagen ein paar Tische und Bänke dort aufstellte, was die schwitzenden Wandervögel als besonders wohltuend empfanden.
    Schon von weitem hörten wir die Musik. Sie klang haargenau nach Feuerwehrkapelle, obwohl uns Sascha erzählt hatte, es sei sogar eine ›richtige Combo aus Heilbronn‹ engagiert worden. Es war dann auch wirklich eine Feuerwehrkapelle (die Combo machte gerade Pause), die auf einem kleinen Podest im ersten Keller saß und einen bekannten Tango im Foxtrott-Rhythmus spielte. Nachdem Rolf sechs Mark gezahlt und zwei Eintrittskarten in Empfang genommen hatte – sie trugen die Jahreszahl 1961 und berechtigten laut Aufdruck zum Besuch einer Nachmittagsvorstellung –, quetschten wir uns an der Theke entlang durch den Saal und drangen in den zweiten Keller vor. Ein bemaltes Schild wies ihn als ›Serail‹ aus. Die Dekorateure hatten sich bemüht, die meterhohen Gewölbe optisch zu verkleinern, und zu diesem Zweck meterweise Kreppapier als Zwischendecken eingezogen. Dazwischen hingen ein paar Lampions ohne Kerzen, die kahlen Steinwände hatte man mit Papierschlangen kaschiert, und beleuchtet wurde die ganze Szenerie von Scheinwerfern, die in allen vier Ecken montiert waren und zur Decke strahlten.
    Der dritte Keller trug die Bezeichnung ›Piratenschenke‹. Bekanntlich waren die klassischen Piraten ein lichtscheues Gesindel (die modernen nennt man Finanzbeamte und etabliert sie in hellen Räumen), und entsprechend war auch die Beleuchtung. Auf jedem Tisch stand eine Kerze, die geheimnisvolle Schatten an die nackten Wände warf. Nur die Sektbar verfügte über ein paar zusätzliche Lichtquellen. Abbildungen mittelalterlicher Feuerwaffen hingen da und dort herum, und künstlich geschaffene Nischen unterstrichen die Katakomben-Atmosphäre. Bevölkert wurde die Piratenschenke vorwiegend von Liebespärchen, die sich in dem Halbdunkel ziemlich sicher fühlten und im übrigen gar nicht kriegerisch aussahen.
    Die Prominenz sowie der überwiegende Teil aller Ballbesucher saß im mittleren Keller. Der war auch am größten und bis zum letzten Winkel mit Tischen und Stühlen vollgestopft. Aus einer Ecke winkte uns jemand zu: Wenzel-Berta. Sie trug etwas Langes aus violettem Chiffon (es stellte nach ihren eigenen Angaben ›Scheresade‹ [Scheherazade] dar), und forderte den neben ihr sitzenden Seeräuber ausdrücklich auf: »Eugen, nu räum mal den Schleier und das Brotmesser von die Stühle!«
    Eugen entfernte den Tüll, steckte sich sein Enterbeil in den Gürtel, und während wir uns zu den Plätzen durchkämpften, erklärte Wenzel-Berta: »Wir hab'n uns schon gedacht, daß Sie später kommen, und was freigehalten, weil nu is ja schon alles voll!«
    Rolf hatte mich auf dem Weg hierher ausdrücklich ermahnt, nach Möglichkeit jeden Tanzpartner zu akzeptieren und keine Körbe auszuteilen, denn auf ländlichen Festen würde so etwas als persönliche Beleidigung empfunden. So stand ich auch gehorsam auf, als ein Riese in roten Pluderhosen, die behaarte Brust nur notdürftig durch eine Art Bolerojäckchen verdeckt, sich artig vor mir verbeugte und mich in das Getümmel auf der Tanzfläche zog. Der Riese wurde später abgelöst von einem Zuchthäusler in gestreiftem Pyjama mit schwarzgepinselter Rückennummer. Dann kamen ein Pirat und noch ein Pirat, dann ein Indianer, den es auf rätselhafte Weise in den Orient verschlagen haben mußte, dann etwas Unbestimmbares in weißem Nachthemd, und dann erschien endlich mein Scheich und erlöste mich. Er entführte mich in die Piratenschenke und dort an die Sektbar.
    »Du siehst schon ein bißchen abgenutzt aus«, meinte er lachend und musterte mich vom verrutschten Schleier bis zu den Tennisschuhen, die nur noch spärliche Reste der Silberbronze aufwiesen. »Hoffentlich amüsierst du dich gut!«
    »Aber

Weitere Kostenlose Bücher