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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sicher! Ich habe bereits viermal erzählt, wo ich herkomme, sechsmal bestätigt, daß Heidenberg ein ganz entzückender Ort ist, und zweimal die Aufforderung abgelehnt, ein bißchen frische Luft zu schnappen.«
    Die Feuerwehrkapelle hatte sich inzwischen an die Theke verzogen und trank Bier. Den verwaisten Platz nahm das Bartrio ein, und plötzlich strömten alle jugendlichen Gäste der Piratenschenke auf die Tanzfläche. Das war doch wenigstens Musik. Und danach konnte man auch tanzen! Irgend jemand soll einmal behauptet haben, Erfinder der modernen Tänze sei der Teenager einer vielköpfigen Familie gewesen, die nur eine Toilette hatte. An der Geschichte muß etwas Wahres sein!
    Als wir an unseren Tisch zurückkamen, war Eugen verschwunden. ›Scheresade‹ hielt die Stellung. Rolf entdeckte plötzlich seinen Pilzfreund, verschwand ebenfalls und überließ uns beide unserem Schicksal. Während wir das Durcheinander auf der Tanzfläche beobachteten, klärte mich Wenzel-Berta über die anwesende Prominenz auf.
    »Der Dicke neben dem Bürgermeister seiner Frau is'n Abgeordneter vom Landtag. Der kommt immer zum Fasching her und tut leutselig mit seine Wähler. Die Hellblaue neben ihm kenne ich nich, muß wohl seine Frau sein. Früher hatte er immer 'ne Jüngere mit, war sicher die Freundin. Da drüben an dem runden Tisch, das ist der Frau Häberle ihr Bruder. Die reden schon seit zehn Jahren nich mehr zusammen, weil der Bruder hat eine aus Stuttgart geheiratet, wo er doch schon mit der Häberle ihre beste Freundin so gut wie verlobt war. Mit ihre Schwägerin spricht die Frau Häberle ja auch nich, dabei wohnen die bloß drei Häuser auseinander.«
    In diesem Stil ging es so lange weiter, bis Rolf mich wieder zum Tanzen holte. Er schien unter nervösen Zuckungen zu leiden, seine Mundwinkel verzogen sich ständig.
    »Der Bart kitzelt so!«
    Meine Tüllgardine hatte ich auch schon als ziemlich lästig empfunden, denn jedesmal, wenn ich etwas trinken wollte, mußte ich erst den Druckknopf aufmachen. Schließlich kam sie auch noch in nähere Berührung mit einem Senftopf, und ich warf sie weg. Mein Scheich
    hatte nichts dagegen, sein Oberlippenbart war nun auch schon demontiert.
    So gegen Mitternacht verspürte ich das Bedürfnis, die sanitären Anlagen des Etablissements aufzusuchen. Ich erkundigte mich bei Wenzel-Berta, wo diese Örtlichkeiten wohl zu finden seien.
    »Haben Se nich die beiden Bauwagen draußen neben dem Eingang gesehen? Einer is für Damen und einer für Herren. Aber geh'n Se da lieber nich rein, weil das stinkt, und sauber isses auch nich!« Sie drückte mir ihren Hausschlüssel in die Hand und meinte: »Is ja bloß ein paar Schritte bis zu uns, und da haben Se noch'n Spiegel und Wasser für zum Händewaschen.«
    Bei Wenzels brannte Licht. Ich schloß vorsichtig die Haustür auf, bereit, mich sofort wieder zurückzuziehen, falls ich den verschwundenen Eugen mit einer orientalischen Schönen vorfinden sollte. Es war aber bloß der Bundeswehr-Sepp. Er reparierte seine Augenklappe und trank nebenbei Kaffee.
    »Ich dachte immer, Piraten trinken bloß Rum?«
    »Das täte ich auch lieber, aber ich muß morgen früh zurück in die Kaserne und versuche jetzt, langsam nüchtern zu werden.«
    Nachdem ich mich etwas restauriert hatte, bekam ich auch einen Kaffee und hatte dann überhaupt keine Lust mehr, mich noch einmal in das Getümmel zu stürzen.
    »Ich kann doch Ihrem Mann sagen, daß Sie schon nach Hause gegangen sind.«
    »Um Himmels willen, der denkt am Ende, ich bin mit einem Dorfschönen getürmt.«
    »Das dürfte Ihnen schwerfallen, die Hälfte ist doch jetzt schon blau, der Rest in spätestens einer halben Stunde. Ist jedes Jahr das gleiche!«
    Sepp hatte seine Augenklappe wieder zusammengeklebt und aufgesetzt, und gemeinsam stiefelten wir zurück. Auf halbem Weg begegneten uns zwei schwankende Gestalten, die eine dritte in einer Schubkarre vor sich herschoben. Beim Näherkommen erkannte ich in der Schnapsleiche unseren Briefträger.
    Die Festsäle hatten sich inzwischen schon ziemlich geleert, aber ›Scheresade‹ thronte noch immer auf ihrem Platz und gab Eugen, der mit seinem Kopf halb im Bierglas hing, jedesmal einen Rippenstoß, bevor er ganz hineintauchte.
    Ich entdeckte meinen jetzt völlig bartlosen Scheich am Stammtisch, wo er mit dem Bürgermeister und dem Landtagsabgeordneten seine durch keinerlei Kenntnisse getrübten Ansichten über die Herstellung von Bauernbrot erörterte. Als ich Rolf

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