Mit Haut und Haar (German Edition)
als wäre man nur noch so was wie eine Mutti, nicht nur für den Nachwuchs, sondern auch für deren Erzeuger! Was sieht er denn in mir? Doch nur die, die sein Haus sauber hält, einkauft, kocht, wäscht, putzt! Mit welchen Augen sieht er mich, wenn er sich abends neben mich ins Bett legt? Und wenn er wie in den letzten Monaten, zweimal im Monat mit mir schläft? Als die Alte, die man mal kurz ruhig stellen muss? Die Alte, die man zur Abwechslung auch mal befriedigen muss, damit sie sich nicht irgendwo einen anderen sucht und die bequeme Hütte zu Hause damit unbequem wird?«
»Hör damit auf!« ertönte plötzlich Daniels Stimme aus der Küchentür. Clarissa hob den Kopf. »Du Scheißkerl! Du verfluchter Scheißkerl!« brüllte sie.
Anja hatte Mühe sie zu halten. Clarissa war so wütend, dass sie ohne zu zögern auf Daniel losgehen wollte.
»Lass sie ruhig«, sagte Daniel zu Anja. Anja ließ Clarissas Arm los und im gleichen Moment sprang Clarissa ihren Mann an wie ein Tiger, der seine Beute zerreißen wollte. Daniel hätte kein Problem damit gehabt sie abzuwehren, aber er ließ sie drauflosschlagen. Clarissa trommelte mit beiden Fäusten auf seine Brust und schließlich brach sie verzweifelt weinend zusammen. Daniel hob sie hoch und setzte sich auf einen Stuhl, sie hielt er auf seinem Schoß. Unwillkürlich nahm er sie in beide Arme und ließ sie weinen.
Anja griff nach ihrer Jacke. Clarissa wusste, wo sie zu erreichen war und nun war der Moment gekommen, in dem eine wirkliche Freundin einfach diskret zu gehen hatte. Vielleicht der Moment einer endgültigen Entscheidung. Und so zog sie die Haustür hinter sich zu und hoffte inständig, dass es Daniel an diesem Abend gelingen würde, mit Clarissa zu sprechen, konstruktiv zu sprechen. Dass es Clarissa gelingen würde, ihrem Mann diesen Fehltritt irgendwann zu verzeihen und einen neuen Anfang zu machen. Sie wusste von sich selbst, sie hätte ihm diesen Fehltritt niemals verziehen. Aber hier ging es nicht um sie, sondern um Clarissa und Daniel, ein Paar das man einfach in der Gesamtheit lieben musste als guter Freund. Ein Paar, von dem man sich wünschte, dass die Harmonie wieder Einzug halten würde.
-5-
Ein Jahr später saß Clarissa mit Anja im Wohnzimmer vor den Bildern, die sie in den vergangenen Monaten gemalt hatte. Anja hatte Recht behalten. Für Clarissa war es die beste Therapie gewesen, wieder mit dem Malen anzufangen. Schon nach den ersten Pinselstrichen, die ihr anfangs noch schwergefallen waren hatte sie sich gefragt, warum sie eigentlich jemals damit aufgehört hatte. Vielleicht hatte sie keine Emotionen mehr übrig gehabt um sie in ihren Bildern zu verarbeiten. In den letzten Monaten jedoch hatte sie mehr Emotionen gehabt als sie verarbeiten konnte und in der Malerei hatte sie ein Ventil dafür gefunden. Manchmal war sie nächtelang wach, nur weil sie nicht von dem Bild lassen konnte an dem sie gerade arbeitete. Anja war begeistert von Clarissas Werken, allerdings fehlte ihr jegliches Verständnis für Kunst und so hätte sie nicht einmal erklären können, warum ihr die Bilder gefielen. Sie strahlten eine hektische Unruhe und eine Angst aus, die ein empfindsamer Mensch wie Clarissa wahrscheinlich niemals in Worte packen konnte. In ihren Bildern jedoch kamen sie zum Vorschein. Auf Anja übten Clarissas Werke eine unglaubliche Faszination aus. Möglicherweise identifizierte man sich beim Anschauen der Bilder mit irgendetwas. Anja hätte es nicht mit Gewissheit sagen können was es war, aber diese Bilder hatten es eigentlich verdient, ausgestellt zu werden. In Clarissas Bildern lag so viel Schmerz, so viel Liebe, so viel Sehnsucht und so viel Verlangen, wie es wohl nur sie auszudrücken vermochte.
»Sie gehören ausgestellt«, sagte sie zu Clarissa. »Ich weiß, ich habe das jetzt ungefähr fünf Mal gesagt, aber ich meine es auch so.«
»Blödsinn, wer sollte sich denn schon für die Malereien einer Hausfrau interessieren?« antwortete Clarissa bescheiden. Sie spielte diese Bescheidenheit nicht. Sie nahm sich einfach selbst nicht so wichtig. Eine Eigenschaft, die Anja einerseits an ihr schätzte, andererseits auch häufig rügte.
»Du stellst dein Licht immer viel zu sehr unter den Scheffel«, sagte sie. »Du spürst gar nicht, wie viel Freude du schenken kannst. Ich habe eine Bekannte, die eine Galerie hat. Es ist eine kleine Galerie und noch nicht besonders namhaft, aber das ist ja egal. Hautsache, die Menschen bekommen deine Bilder zu
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