Mit Haut und Haar (German Edition)
nickte. »Das ist wahr. Auch wenn du manchmal eine Nervensäge bist.«
Clarissa räumte ihre Bilder zusammen.
»Ich finde, ihr macht da viel zu viel Wind drum«, murmelte sie.
»Warum glaubst du nicht an dich?« fragte Anja.
Clarissa zuckte nur mit den Schultern und blieb ihr eine Antwort auf diese Frage schuldig.
-6-
Clarissa hatte nicht wirklich einen Anruf von einer Patrizia erwartet. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich tatsächlich eine Galeristin für ihre Bilder interessieren könnte. Sie war der Meinung, dass Anja als ihre beste Freundin, die sie nun einmal war, wahrscheinlich mehr Potenzial in ihren Bildern sah, als es ein Profi tun würde. Umso überraschter war sie, als drei Tage nach ihrem Gespräch mit Anja das Telefon klingelte und es sich wohl bei der Anruferin tatsächlich um Patrizia handelte.
»Ich habe gehört, Sie malen so ausgezeichnete Bilder«, sagte die Dame am Telefon. »Ich würde mir Ihre Werke gerne mal anschauen, wenn Sie es mir erlauben!«
Clarissa seufzte.
»Meine Freundin hat Sie auf mich angesetzt, ich weiß.«
»Sie meinen Anja?«
»Genau.«
»Ja, das hat sie. Sie sagte, ich müsste mir unbedingt mal Ihre Bilder ansehen. Leider konnte sie mir aber nicht sagen, was genau Sie malen?«
»Ich male Öl oder Acryl auf Leinwand und zeichne auch gerne mit Kohle. Aber es sind keine wirklichen Kunstwerke, Anja übertreibt da etwas. Es ist ein Hobby, dem ich schon als Kind nachgegangen bin, dann jahrelang nicht mehr. Ich habe erst vor ein paar Monaten wieder angefangen. Nichts Besonderes.«
»Das würde ich mir gerne selbst ansehen«, sagte die Dame. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich heute Nachmittag bei Ihnen vorbeikäme?«
»Ach, Sie kommen zu mir?«
Die Frau lachte am Telefon. »Ich habe sowieso noch etwas zu erledigen, das liegt auf dem Weg. Wäre es Ihnen lieber, ich ließe Sie Ihre Bilder quer durch die Stadt schleppen? Was denken Sie, wie begehrt hier die Parkplätze sind und wie teuer es wird, wenn man sein Auto an der falschen Stelle parkt?«
»Und dann können Sie an dieser Location überleben? Mit einer Galerie?«
»Ja«, sagte die Dame. »Es gibt doch Busse und Bahnen. Aber ich möchte Ihnen den Transport einer Bilderauswahl einfach nicht zumuten. Ich muss ja erst einmal einen Blick darauf werfen. Vielleicht haben Sie ja recht und es ist Hobbymalerei, aber möglicherweise hat ja Anja recht und Ihre Bilder sind großartig. Ich würde sie jedenfalls gerne sehen. Anja hat mir Ihre Anschrift bereits gegeben, ich kenne die Gegend. Also, wie sieht es heute Nachmittag aus?«
»Gerne«, sagte Clarissa. »Ich hoffe, Sie sind hinterher nicht enttäuscht.«
»Ach«, antwortete Patrizia. »Da machen Sie sich mal keine Gedanken darüber. In meiner Branche gewöhnt man sich an alles Mögliche. Ich könnte gegen vier Uhr da sein, wäre das in Ordnung?«
»Sicher«, sagte Clarissa.
Sie verabschiedete sich und legte auf. Das eben war das erste Gespräch ihres Lebens mit der Inhaberin einer Kunstgalerie gewesen. Was erwartete diese Frau von ihr? Clarissa lief nach oben ins Gästezimmer, das sie in den letzten Monaten immer mehr zu einem Atelier umgewandelt hatte. Daniel hatte mit seinem Computer ins Schlafzimmer umziehen müssen. Sie sortierte ihre Bilder und stellte einige, die sie für nicht besonders gelungen hielt, ins Schlafzimmer. Dann ging sie schnell noch mal unter die Dusche. Zum Mittagessen hatte es Frikadellen gegeben und sie wollte nicht nach Hackfleischbällchen riechen, wenn eine Galeristin ihr Haus betrat.
»Wieso brezelst du dich denn so auf?« fragte Damian, ihr fünfzehnjähriger Sohn, der nicht schlecht staunte, als er seine Mutter im Bad vor dem riesigen Spiegel dabei erwischte, wie sie sich von allen Seiten begutachtete. Sie hatte sich in einen schwarzen Hosenanzug geworfen, völlig unüblich für Clarissa, die zu Hause am liebsten Jeans und Pullover trug.
»Ich bekomme gleich Besuch«, sagte sie.
»Wer kommt denn?«
»Ach«, sagte Clarissa. »Die Inhaberin einer Kunstgalerie. Sie möchte sich meine Bilder ansehen. Anja hat ihr von mir erzählt und jetzt ist sie neugierig.«
»Kunstgalerien, sind das nicht diese Geschäfte, in denen Künstler ausstellen und ihre Bilder verkaufen können?«
Clarissa nickte.
»Und von was leben die dann? Die Besitzer meine ich!«
»Ganz einfach, sie erhalten eine Provision von den verkauften Bildern.«
»Aber die Künstler bekommen das Meiste, oder?«
»Natürlich. Jedenfalls sollte es so
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