Mit Haut und Haar (German Edition)
eigener Erfahrung heraus, kann ich dir sagen, das glaube ich dir sogar.«
»Wirst du mich jetzt verlassen?«
Clarissa fühlte sich verunsichert, von ihrer eigenen Courage überrannt. Vielleicht hätte sie es ihm doch lieber nicht sagen sollen? Aber das entsprach nicht ihrem Wesen. Clarissa war immer ehrlich gewesen. Sie hasste Betrug, sie hasste Lügen. Und nun hatte sie selbst gelogen und betrogen, aber sie konnte nicht zulassen, dass diese Affäre, diese Heimlichkeiten für immer auf irgendeine Art zwischen ihr und Daniel stand. Er starrte sie an. Minutenlang. Minuten, die Clarissa wie Stunden erschienen und in denen sie sich zutiefst fürchtete.
Wie kommst du auf die Idee«, sagte er. »Wie kommst du auf die Idee dass ich dich für etwas verlassen könnte, was ich selbst getan habe? Etwas, was du mir großzügig verziehen hast, auch wenn es ewig gedauert hat. Wie kommst du auf diese Idee?«
Sie schluckte.
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht konnte ich mehr ertragen als du es kannst.« Daniel zündete sich eine weitere Zigarette an. So viel rauchte er normalerweise niemals, er gönnte sich nur nach dem Essen immer eine, manchmal eine zwischendurch wenn es gemütlich wurde. Mehrere Zigaretten hintereinander rauchte er normalerweise niemals.
»Wann ging das los?« fragte er.
»Kurz vor der Ausstellung.«
Er schnappte nach Luft. »Das heißt, du hast sie bis dahin gerade zweimal gesehen oder dreimal höchstens? Und du hast mich, deinen Mann, mit auf die Ausstellung geschleppt und mich dort mit deiner Geliebten konfrontiert? Clarissa!«
Er war entsetzt. Und mit Sicherheit nicht nur über ihren Betrug, der ihn offensichtlich schwer traf. Nein, er war auch entsetzt, weil ein solches Verhalten überhaupt nicht ihrer sonstigen Art entsprach.
»Entschuldige. Es tut mir so leid.«
»Clarissa, ich muss darüber erst mal nachdenken. Ich mag jetzt nicht weiter mit dir reden. Ich muss nachdenken. Ich werde heute Nacht hier auf dem Sofa schlafen. Ich möchte alleine sein, jetzt sofort, kannst du bitte nach oben gehen?«
Sie nickte, nahm die Cognacflasche mit und ging nach oben in ihr Bett. Ein, zwei Cognacs noch, und sie wäre alkoholisiert genug um einschlafen zu können, trotz dem ganzen Desaster. Sie wusste, was er jetzt durchmachte, da unten auf seinem Sofa. Sie wusste, wie er sich fühlte. Aber sie spürte, ihre Entscheidung war richtig gewesen. Für einen neuen Anfang war es wichtig, dass alles geklärt war, dass es keine Geheimnisse vor dem anderen gab. Niemand konnte sein Leben auf einer Lüge aufbauen. Obwohl sie befürchtete, dass es mit ihrem Geständnis zur nächsten Ehekrise kommen würde, die ihre Ehe diesmal vielleicht nicht überleben würde, fühlte Clarissa sich befreit. Sie hatte Angst, das war keine Frage, aber sie fühlte sich leichter. Monatelang hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt, monatelang ihr Geheimnis sorgsam gehütet. Sie hatte Patrizia mit ihrem Verhalten sehr wehgetan, das wusste sie, und dafür schämte sie sich auch. Für sie selbst war es eine wunderbare Zeit gewesen und sie liebte Patrizia auch irgendwie, aber nicht so wie man einen Menschen lieben sollte, mit dem man eine Beziehung führt. Dieser Platz in ihrem Herzen war von Daniel besetzt und das schon seit vielen Jahren. Aber sie wusste auch, dass sie von Patrizia geliebt wurde, und zwar so wie es sein sollte. Sie wusste, dass Patrizia sich nach einer wirklichen Beziehung mit ihr gesehnt hatte. Eine Beziehung, in der sie morgens gemeinsam aufwachen und abends gemeinsam einschlafen würden. Eine Beziehung, in der Feste wie Weihnachten gemeinsam gefeiert werden konnten. Eine Beziehung, in der sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnten, sie Hand in Hand durch die Straßen laufen und der ganzen Welt zeigen konnten, wie sehr sie sich liebten. Ja, danach hatte Patrizia sich immer gesehnt und Clarissa hatte das gewusst. Patrizia war aber geduldig geblieben. Sie hatte sie nicht gedrängt. Natürlich, an diesem Nachmittag hatte sie ja zugegeben, was sie sich erhofft hatte. Mit Sicherheit war es Patrizias größter Wunsch gewesen dass Clarissa eines Tages eine Entscheidung treffen würde – und zwar für sie. Aber das konnte sie nicht. Patrizia war eine wunderbare Frau und eine Geliebte, wie man sie sich nur wünschen konnte, aber wahrscheinlich wäre diese Sache ohnehin irgendwann einfach zu Ende gewesen. Patrizia war lesbisch und Clarissa war es eben nicht. Sie mochte hauptsächlich Männer und hatte das Abenteuer mit Patrizia
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