Mit Haut und Haar (German Edition)
genossen. Aber früher oder später wäre es vorbei gewesen. Clarissa seufzte und drehte sich auf die Seite. Sie hatte zu viel getrunken. Mal wieder. Sie merkte es selbst, dass ihr Alkoholkonsum nicht in Ordnung war. Sie trank nie wirklich viel, aber bedenklich regelmäßig. Auch das war etwas, das ihr Sorgen machte. Es musste aufhören. Alles musste aufhören. Auch die Trinkerei. Clarissa fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
-19-
Am nächsten Morgen erschrak Clarissa als sie erwachte, denn zum ersten Mal seit Jahren hatte sie verschlafen. Es war halb elf am Vormittag, eine Zeit zu der sie normalerweise bereits die erste Runde in ihrem Haushalt hinter sich gebracht hatte und sich Gedanken über das Mittagessen machte. Sie hastete aus dem Schlafzimmer und sah in die Zimmer ihrer Kinder, aber die waren offensichtlich in die Schule gegangen. Unten im Wohnzimmer standen noch die Reste des Frühstücks von drei Leuten auf dem Esstisch. Sie setzte erst mal Kaffee auf um wach zu werden und eilte unter die Dusche. Zehn Minuten später saß sie bereits nachdenklich im Bademantel am Esstisch, trank den frischen Kaffee und spürte, wie allmählich die Lebensgeister zurückkehrten. Es war wohl doch ein wenig viel Cognac gewesen am Vorabend, aber ohne diesen hätte sie nicht einschlafen können. Sie machte sich Sorgen. Sorgen wie Daniel sich jetzt weiter verhalten würde. Sicher, er hatte das schon realistisch gesehen, wenn er sie jetzt verlassen würde wegen etwas, was er auch getan hatte, dann würde er sich als äußerst kleingeistig erweisen, nachdem sie ihn für seinen Betrug nicht verlassen hatte. Aber man konnte nie wissen. Ihr eigener Stolz hatte ihr damals geraten ihn zu verlassen, aber sie hatte es nicht übers Herz gebracht. Weil sie ihn liebte, immer noch liebte. Sehr sogar. Was wäre, wenn er sie weniger lieben würde? Wenn er nicht mit diesem Betrug zurechtkam? Oder wenn er sich auf einen Scheinfrieden einlassen würde? Unerträglich für sie, der Gedanke, er könnte ihr oberflächlich verzeihen, sich aber doch von ihr zurückziehen. Der Kinder wegen. Oder der achtzehn Jahre wegen. Oder der Liebe wegen, die er vielleicht irgendwann mal für sie empfunden hatte. Ja, wenn er so reagieren würde, wie sie es getan hatte. Sie würde es verstehen. Schließlich hatte sie selbst ihn monatelang für seinen Fehltritt abgestraft. Jetzt fiel ihr auf, wie unerträglich das wohl für ihn gewesen sein musste. Wahrscheinlich hatte sie ihn jetzt genauso sehr verletzt wie er sie – damals.
Sie schreckte auf, als das Telefon klingelte. »Ostermann?« meldete sie sich.
»Hier ist Patrizia.«
Clarissa wechselte den Hörer an das andere Ohr und lauschte mit zitternden Händen.
»Clarissa, wir müssen miteinander reden.«
»Okay.«
»Das geht so nicht.«
»Was geht so nicht?«
Sie hörte Patrizia am anderen Ende schwer atmen.
»So wie du ... du kannst nicht einfach so aus meinem Leben verschwinden.«
»Ich möchte gar nicht so aus deinem Leben verschwinden«, sagte Clarissa. »Du hast mich rausgeworfen.«
»Ich habe es nicht so gemeint. Ich war verletzt. Ich bin immer noch verletzt.«
»Ja, das verstehe ich. Aber du musst auch mich verstehen, Patrizia.«
Sie hörte, dass Patrizia weinte.
»Ich verstehe gar nichts«, schluchzte sie. »Ich verstehe nur, dass ich mit dir total glücklich war, dass ich mich in dich verliebt habe. Wir hatten doch eine so schöne Zeit! Warum willst du das aufgeben?«
»Weil ... Patrizia, ich habe es dir doch erklärt.«
»Du hast gesagt, du musst dich für eine Seite entscheiden. Warum musst du das? Ich habe doch nie eine Entscheidung von dir verlangt! Daniel muss es doch gar nicht erfahren!«
»Er hat es bereits erfahren.«
»Was?« Sie klang entsetzt. »Ich habe es ihm gestern Abend gesagt.«
Patrizia antwortete nicht. Aber Clarissa hörte sie atmen und zwischendurch schluchzen.
»Warum hast du es ihm gesagt?« stammelte Patrizia schließlich. »Jetzt lässt er es nie mehr zu dass wir uns sehen!«
»Patrizia«, sagte Clarissa leise, als wollte sie sie beruhigen. »Patrizia, er musste es erfahren. Das bin ich ihm schuldig. Ich hatte die ganze Zeit über ein schlechtes Gewissen, das muss ich auch weiterhin haben, aber jetzt weiß er Bescheid. Ich konnte so nicht mehr leben!«
»Du hast mir nie gesagt, dass dich das so belastet.«
»Ich habe es verdrängt Patrizia, weil es so schön war mit dir, aber es wurde mir mit jedem Treffen gegenwärtiger. Ich habe es dir schon oft gesagt,
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