Mit Haut und Haar (German Edition)
Monate alt und Clarissa freute sich über jeden Erziehungserfolg, zumal Sparky ihr erster Hund war. Ihren letzten Hund hatte sie als kleines Mädchen besessen und der war eigentlich von ihren Eltern erzogen worden und mit ihr gemeinsam aufgewachsen. Sparky war inzwischen längst stubenrein, er beherrschte einfache Kommandos wie »sitz« und »platz«. Er kam wenn man ihn rief und er hatte begriffen, dass er zum pinkeln nicht in die Blumenbeete oder Büsche gehen durfte, sondern ausschließlich bei den Spaziergängen seine Geschäfte zu erledigen hatte. Clarissa war ziemlich stolz auf sich und ihre Erziehungsergebnisse und sie liebte Sparky sehr. Er lag ihr grundsätzlich zu Füßen, ein typischer Rüde, der immer in der Nähe seines Frauchens sein wollte. Aber auch den Kindern gegenüber erwies er sich als einwandfreier Charakter. Wenn sie mit ihm tobten, war er außer Rand und Band, er freute sich wenn sie nach Hause kamen. Mit Daniel hingegen hatte er einige Kämpfe auszufechten gehabt. Er respektierte Daniel, aber es hatte eine Phase gegeben in der er nicht eingesehen hatte, dass er aus dem Schlafzimmer zu verschwinden hatte und sich stattdessen Daniel neben Clarissa ins Bett legte. Einmal hatten sie ihn im Schlafzimmer vergessen, weil er sich, schlau wie er war, in einer Ecke neben dem Schrank zum Schlafen hingelegt hatte. Clarissa hatte sich ganz den Zärtlichkeiten ihres Mannes hingegeben und plötzlich wurden sie im Liebesspiel unterbrochen, weil Sparky zähnefletschend vor dem Bett saß und Daniel drohend anschaute. Seither achtete Clarissa noch mehr als vorher darauf, dass der Hund über Nacht nicht im Schlafzimmer blieb. Diese und andere Begebenheiten erzählte sie Stück für Stück Patrizia in ihren Mails und Patrizia reagierte angemessen belustigt. Sie schien sich darüber zu freuen, dass Clarissa ihr wieder etwas näher kam, rein freundschaftlich, und hielt sich mit Liebeserklärungen absolut zurück, obwohl Clarissa wusste, dass sie noch immer unter der Trennung litt. Offensichtlich gab es auch keine neue Frau in ihrem Leben. Sie hatte wohl ein paar Erlebnisse hier und da, wie sie selbst erzählte, aber sie verschwieg Details und es war ersichtlich, dass darunter nichts war, was sie länger beschäftigte. Trotzdem fühlte Clarissa immer einen leichten Stich in der Magengrube, wenn Patrizia in ihren Mails nebenbei Treffen mit Frauen erwähnte. Sie schalt sich selbst wegen ihrer Dummheit dafür, denn natürlich war Patrizia ein ganz normaler Mensch mit ganz normalen Bedürfnissen und wenn sie, Clarissa, es schon nicht geschafft hatte, sich für sie zu entscheiden, musste sie Patrizia doch zugestehen, dass diese sich woanders neu zu orientieren versuchte. Versunken über solchen Gedanken öffnete sie an einem strahlenden Sommermorgen Ende August den Briefkasten und fand den dritten, anonymen Brief darin. Ihr Herz raste. Sie hatte den Gedanken an die ersten zwei Briefe bis zu diesem Tag tatsächlich erfolgreich verdrängt und versucht sich einzureden, es hätte damit nun ein Ende, aber hier hielt sie jetzt den dritten Brief in den Händen und sie wagte es kaum ihn zu öffnen. Aber sie tat es doch, mit zitternden Fingern. »Ich habe dich gewarnt. Nimm deine Bälger und deinen stinkenden Hund und hau ab, sonst wird bald etwas Schreckliches passieren.«
Clarissa fühlte wie beim letzten Brief, wie ihr Kreislauf versagte. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, bekam einen üblen Magenkrampf und rannte erst mal zur Toilette. Nein, sie war wirklich nicht so zart besaitet, aber diese Briefe machten ihr Angst und dieser dritte Brief hier verursachte bei ihr nicht nur Kreislaufbeschwerden, die völlig akut aufgetreten waren, sondern auch massiven Durchfall. Es dauerte fast eine Stunde, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte, aber sofort als sie spürte, dass sie jetzt ruhiger war, griff sie nach einer Strickjacke und ihrer Handtasche und machte sich auf den Weg ins Polizeirevier. Unterwegs betete sie, dass Meierhofer im Dienst war, denn sonst würde sie die ganze Geschichte noch einmal erzählen müssen. Sie sah ihn schon beim Eintreten, er hatte Dienst an der Rezeption und erkannte sie sofort wieder.
»Frau Ostermann«, sagte er. Er wirkte ein wenig besorgt angesichts ihres Anblicks. Clarissa wusste, sie war kreidebleich und da sie innerlich total aufgeregt war, war ihr klar, dass sie das auch nach außen hin ausstrahlte. Sie knallte dem Beamten den Brief auf die Theke. »Lesen Sie bitte«, sagte sie
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