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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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Ein hartes Wort. Lieblos. Ein
loses Mädchen.«
    Ein Wort, für das der Himmel aufgehen müsste, geeignet, Götter zu verführen.
    »Hat der Satellitentelefonhändler dich durchgefickt?«,
fragt er.
    Er sieht ihn vor sich. Kahlköpfig, wie sie
ihn beschrieben hat, den Kerl mit seinen Satellitentelefonen. Er fühlt sich wie
trunken, obwohl er keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hat.
    [446]  »Ja«, sagt sie, »er hat mich durchgefickt.«
    Er zieht ihren schwarzen Rock hoch. Der Rock ist neu. Ihr Slip ist grün,
fast derselbe Ton wie ihre Stiefel. Ein neuer Slip.
    Er zieht den Slip ein wenig herunter. Es ist schwierig mit einer Hand,
sie muss ihm helfen.
    Ein dahergelaufener Satellitentelefonhändler, ein erbärmlicher Wicht.
    Das Geräusch der Peitschenhiebe auf nackter Haut fügt sich in Tschaikowskis
Musik ein, geht völlig in ihr auf, ist jedenfalls eine wertvolle Zugabe.
    »Nicht nur mit der Hand hat er’s dir also gemacht, auch gefickt hat er dich?«
    »Nicht nur mit der Hand hat er es mir gemacht, auch gefickt«, bestätigt sie mit heiserer Stimme, als geschehe es
in diesem Moment, als sei er im Zimmer, der Satellitentelefonhändler, als sei er
in Roland gefahren.
    Das Geräusch der Peitsche und Tschaikowskis Musik verschmelzen in jagendem
Tempo.
    »Hat er dir seinen großen Schwanz reingesteckt?«
    »Ja«, sagt sie. »Tief in mich rein.«
    Die Musik peitscht ihn auf. In diesem Rollenspiel kann er sich völlig
verlieren, genau wie in seinem Forschungsprojekt.
    »Wie tief?«
    »Sehr tief. So tief es nur ging.«
    Ihre Haut rötet sich langsam. Noch immer kann er den wahnwitzigen Gedanken
nicht abschütteln, dass hiervon der Himmel aufgehen müsste.
    »Und das hat dir gefallen?«
    [447]  »Ja«, antwortet sie, »sehr.«
    »Dein Hintern«, sagt er, »er ist schön. So rot. Man müsste ihn malen.«
    Doch sie antwortet nur: »Mach weiter.«
    »Und was habt ihr sonst noch getrieben?«
    »Ich hab seinen Schwanz in den Mund genommen«, sagt sie.
    »Wie tief?«
    »Sehr tief. So tief, dass ich würgen musste.«
    Roland sieht den Schwanz des anderen vor sich. Allein, ohne Körper. Wie
ein Tier, das auch ohne Besitzer prächtig überlebt. Der Schwanz des Satellitentelefonhändlers
läuft durch sein Zimmer wie eine riesige Ratte.
    Als das Ganze vorbei ist, nimmt Roland Violet in die Arme und hält sie
fest.
    »Schau, Meneer Bär!«, sagt er. »Meneer Bär
hat alles gesehen.«
    »Das ist nicht gut«, sagt sie und streicht mit der Hand sanft über sein Fell. »Solche Dinge sollte er nicht sehen.«
    Jetzt streichelt auch Roland das Tier. »Meneer Bär sieht uns zu«, sagt
er.
    [448]  29
    Anca schläft auf dem Sofa, Leas
Mann ist immer noch nicht zurück.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragt Lea.
    Die junge Frau antwortet nicht. »Anca«, sagt sie, »ich bin wieder da!«
    Anca wird wach. Sie scheint sich nicht schuldig zu fühlen oder auch nur
zu schämen, dass sie auf Leas Sofa eingeschlafen ist.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragt Lea noch einmal.
    »Gut«, antwortet die junge Frau. »Nichts passiert.« Sie zieht sich die
Schuhe an, abgetragene Turnschuhe.
    Ob Sven Durano immer noch fernsieht? Oder endlich eingeschlafen ist?
Und Roland Oberstein, was macht der jetzt, mit seiner Freundin? Sie passen nicht
zusammen, die beiden.
    Lea nimmt das Portemonnaie und bezahlt. »Ich rufe dich wieder an, wenn
was ist«, sagt sie. »Abgemacht?«
    Anca nickt.
    Dann ist sie mit den Kindern allein. Sie schaut kurz nach ihnen, sie
schlafen, ganz friedlich, jedes in seinem Bett. Leise zieht sie die Kinderzimmertür
hinter sich zu.
    In der Küche setzt sie Teewasser auf.
    Sie schickt Roland eine SMS . »Du fehlst
mir ein bisschen«, schreibt sie. »Du und deine Liebe.«
    Dann schickt sie noch eine SMS an Durano.
»Danke für den schönen Abend. Und guten Heimflug morgen,
zurück in die Schweiz!«
    [449]  Sie hängt ihre Jacke über einen der Barhocker. Aus dem Bücherregal
nimmt sie die zweisprachige Celan-Ausgabe.
    Sie liest das erste Gedicht der Niemandsrose.
    Die letzte Strophe spricht sie laut; im Deutschen hat sie einen ziemlich
starken Akzent. Sie würde gern besser Deutsch sprechen.
    »O einer, o keiner, o niemand, o du: / Wohin ging’s, da’s nirgendhin
ging? / O du gräbst und ich grab, und ich grab mich dir zu, / und am Finger erwacht
uns der Ring.«
    Das Wasser kocht. Sie nimmt einen Beutel Pfefferminztee,
ihr Magen ist ein wenig durcheinander. Vielleicht, weil sie heute gleich dreimal
Sex gehabt hat.
    Auf der Anrichte vibriert ihr

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