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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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[103]  hervorragendes Geschenk. Früher hatte er
selbst mal so einen. Er lässt den Doppeldecker nicht los.
    »Wir haben uns geküsst. Ich wusste seit langem: Es muss was geschehen.
Und mit Worten kommt man bei dir ja nicht weiter, die sind völlig wirkungslos.«
    »Er hat schon so einen Bus«, flüstert Lea
Roland ins freie Ohr. »Zwei wären zu viel, meinst du nicht?«
    Roland macht einen Schritt beiseite.
    »Mit Worten kommt man bei mir nicht weiter?
Bist du dir sicher?«
    »Ja«, sagt Violet. »Ja, Roland. Mit Worten hab ich schon alles versucht.«
    »Deine Worte bewirken bei mir immer etwas. Du darfst nur nicht auf mich
einreden, wenn ich gerade an etwas arbeite. – Und dann? Was hattest du an? Eine
Hose oder ein Kleid? Einen Rock?«
    »Muss das jetzt sein? Ich bin auf der Toilette. Du bist auf dem Flughafen.
Ich hatte das Kleid an, das du mir zum Examen geschenkt hast.«
    Da ist wieder Lea. Sie will ihm den Bus abnehmen, doch Roland hält ihn
mit eisernem Griff fest.
    Er macht ein paar Schritte Richtung Gin. Lea braucht nicht alles zu hören.
Sie versteht kein Niederländisch, aber trotzdem.
    »Hat er’s dir mit der Hand gemacht?«
    »Das geht dich nichts an, aber wenn du’s unbedingt wissen willst: Ja.«
    »Wo?«
    »Was meinst du mit ›Wo?‹? Auf der Party. Beim Küssen. Ich möchte jetzt
nicht darüber sprechen.«
    [104]  »Ich will’s aber wissen.«
    Roland steht jetzt zwischen Alkohol und Zigaretten. Er dreht sich um
und sieht Lea immer noch beim Wodka stehen. Sie wirft ihm
einen hilflosen Blick zu.
    »Hat er’s gut gemacht?«, fragt er.
    »Roland, ich sitze auf der Toilette! Du bist auf dem Flughafen. Ich finde das peinlich.«
    »Hat er’s dir besser gemacht als ich?«
    »Er hat’s mir gemacht, Roland. Ich weiß nicht mehr, ob er es besser gemacht
hat als du. Tut mir leid, ich kann nichts darüber sagen. Und wenn ich es könnte,
würde ich’s nicht tun.«
    »Aber wie hat er es gemacht?«
    »Mit der Hand.«
    »Und langsam? Zärtlich? Oder war er mit ein paar Fingern auf einmal drin,
wie ein Klempner?«
    »Nein, nicht mit ein paar Fingern auf einmal. Ist das ein Gespräch für
Leute in einer Beziehung? ›War er mit ein paar Fingern auf einmal drin?‹ Hörst du,
Roland? Eine Beziehung ist etwas anderes als eine Untersuchung beim Arzt.« Ihre
Stimme klingt schrill.
    »Auf jeden Fall bin ich nicht gleichgültig, wie du gemeint hast. Wenn
ich frage ›War er mit ein paar Fingern auf einmal drin?‹, ist das Interesse. Etwas,
das Menschen füreinander aufbringen sollten, vor allem in einer Beziehung. Findest
du mich immer noch gleichgültig?«
    »Nein. Das nicht. Ich hatte übrigens auch nicht von Gleichgültigkeit
gesprochen. Ich sagte, du wärst so weit weg.«
    Lea macht ihm unverständliche Zeichen. Wenn sie ihn [105]  bittet, ein Geschenk
für ihren Sohn auszusuchen, muss sie seine Wahl auch akzeptieren.
    »Hast du seine Erektion gespürt?«
    »Ja.«
    »Und hat dich das angemacht?«
    »Ja. Aber können wir das nicht besprechen, wenn wir uns sehen? Ich finde das peinlich.«
    »Es kann mir nicht peinlich genug sein. Wenn wir uns sehen, hast du die
Details längst vergessen.«
    »Roland, ich weiß nicht, ob ich dir das alles erzählen will. Es ist was
Intimes.«
    Lea dreht sich um.
    »Erzählen? Was Intimes? Wir haben etwas zusammen. Dann erzählt man einander
so was.«
    »Tut dir das nicht weh? Ist das nicht quälend
für dich?«
    »Ich interessiere mich für die Wahrheit. Das ist meine Passion. Mein
Beruf.«
    »Jetzt sei doch nicht so pathetisch.«
    Es klingt, als würde sie aufseufzen, vielleicht ist es aber auch nur
die schlechte Verbindung.
    »Alle Leidenschaft ist
pathetisch.«
    »Es ist keine Leidenschaft bei dir dahinter,
das macht es ja so pathetisch.«
    Lea steht wieder neben ihm, mit einem mickrigen Taxi. Ein popliges Ding.
Er hält den Bus entschlossen umklammert.
    »Jedenfalls will ich keine offene Beziehung«,
sagt Violet.
    Er hält das Handy von sich weg und flüstert
Lea ins Ohr: »Es ist das beste Auto, was sie hier haben. Glaub mir. Das einzig Richtige
für deinen Sohn.«
    [106]  Es klingt ungewollt aggressiv.
    Roland hält das Handy wieder ans Ohr.
    »Was hast du gesagt?«, fragt Violet.
    »Was zu jemandem hier im Laden. Ich will auch keine offene Beziehung.«
    »Sonst bleibt nichts davon übrig. Eine offene
Beziehung auf zigtausend Kilometer Distanz ist keine Beziehung.«
    Lea schüttelt weiter den Kopf. Er gibt nach, er lässt sich den Doppeldeckerbus
aus der Hand ziehen.
    Er

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