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Mit Haut und Haaren

Mit Haut und Haaren

Titel: Mit Haut und Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnon Grünberg
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Hochzeit begegnet. Er trug einen
schicken Anzug, italienisch wahrscheinlich. Das zweite Mal sah sie ihn auf der Party.
Da hatte er eine Jeans an und ein weißes Hemd mit Fliegenmotiv, sehr cool. Sie dachte:
Der ist es, der ist für heute der Mann meiner Wahl.
    Man darf, das wusste sie noch von früher, nicht bis zum Ende des Abends
warten und dann denken: Na, dann gehe ich eben mit dem. Sonst gibt’s nur noch die
Ladenhüter, den versprengten Rest, der von allein niemanden abgekriegt hat. Man
muss sich ein Ziel setzen, sofort beim Hereinkommen: Der wird es. Der oder keiner.
    [239]  Sie wusste nicht, dass Wytse mit Satellitentelefonen handelt.
    Verrückt, dass sie nicht mehr weiß, was Roland bei ihrer ersten Begegnung
anhatte.
    Wytse redet immer noch angeregt von seiner Arbeit. Mit faszinierender
Lebenslust. Immerhin weiß sie jetzt wieder, warum sie an dem Abend auf seine Ankündigung
»Ich gehe nach Hause« zu ihm gesagt hat: »Jetzt schon?«
    Er verstummt. Das Thema Afrika ist erschöpft.
»Was hast du da eigentlich gelesen?«, fragt er.
    Sie dreht das Buch mit dem Cover nach oben.
    »Ach, Murakami!«, sagt er, als hätte er dem Autor erst kürzlich ein Satellitentelefon
verkauft. »Viel von gehört. Nie was gelesen. Er hat doch
auch ein Buch übers Laufen geschrieben?«
    »Kann sein«, sagt Violet.
    Sie betrachtet die Rückseite des Buchs, kann aber keinen Hinweis entdecken.
    »Ich laufe auch«, sagt Wytse. »Ich bereite mich auf den Marathon vor.
Auch in Afrika. Man muss ständig trainieren. Die Leute dort fassen sich an den Kopf,
sie sind am Verhungern, und dann rennt so ein Weißer in Turnschuhen vorbei, aber
so ist das Leben. Manchmal laufe ich mit ein paar Leuten vom Hilfsteam, die stehen
im Allgemeinen genauso auf Joggen. Was ein anständiger Helfer ist, hält seinen Körper
topfit und pflegt sich, auch
in Afrika, und das find ich schon stark.«
    »Ich mache Yoga«, sagt Violet.
    »Das entspannt auch. Yoga. Aber das sieht man in Afrika selten. Da machen
sie mehr Krafttraining.«
    [240]  »Es baut Stress ab«, sagt Violet.
    »Sex ist eigentlich auch eine Art Yoga«, ergänzt Wytse fröhlich.
    »So hatte ich es noch gar nicht betrachtet.«
    »Wenn man viel reist, sieht man viele Dinge plötzlich ganz anders. Tod,
Leben, Sex, Yoga, das ist alles ein großes Ganzes.«
    Einen Moment ist es still. Sie hält den Blick auf ihr Buch gerichtet.
»Wie gesagt, ich hab einen Freund«, beginnt sie, als rede sie mit dem Buch.
    »Ich weiß.« Wytse schaut freundlich. Es scheint ihn nicht weiter zu stören.
Hungersnot in Afrika, Berge von Leichen – er hat schlimmere Dinge erlebt als ein
bisschen Fremdgehen.
    Er hebt sein Glas an und dreht den Bierdeckel um. »Ich hatte bis vor
kurzem eine Freundin«, sagt er.
    Bis vor kurzem. Sie schaut ihn an, lacht unwillkürlich, aus Gewohnheit,
aber auch, weil sie seine Gedankensprünge wirklich lustig findet,
seine chaotische Art zu erzählen.
    »Zwei Jahre lief es ganz gut. Bis letzten Sommer. Da wollte sie wieder
campen, auf so einem Campingplatz mit Kreativangebot. Ich hab nichts gegen campen,
aber dieses kreative Getue ging mir auf den Geist. Ich meine, ich kenne Afrika.«
    »Was macht man da eigentlich?«, fragt Violet. Ein Campingplatz mit Kreativangebot.
Sie wusste gerade mal, dass es so was gibt.
    »Auf so einem Campingplatz? Sie hat einen Kurs gemacht, wie man Kolumnen
schreibt, in Frankreich – der [241]  Kurs war in Frankreich, meine ich. Dabei hatte
sie 2007 schon mal so einen gemacht, da war ich mitgekommen – ungern! –, und noch
mal wollte ich da nicht hin. Sie sagte: ›Du kannst dir doch auch einen interessanten
Kurs suchen.‹ Aber ich wollte keinen interessanten Kurs. Und ich hab auch nicht
verstanden, warum sie dieses Kolumnending unbedingt zum zweiten Mal machen wollte,
sie hat überhaupt kein Talent dazu. Ich dachte, ein paar Stunden mit dem Flugzeug
von hier verhungern die Leute, und du sitzt vor deinem Klapptisch und schreibst
Kolumnen über deine Waschmaschine – da stimmt doch was nicht! Also hab ich gesagt:
›Du musst wählen, der Kreativcampingplatz oder ich.‹ Ich war mir eigentlich sicher,
dass sie sich für mich entscheiden würde, wir wohnten ja schon zusammen. Aber sie
ist bei ihrem Kreativzelten geblieben.«
    Er scheint sich darüber noch immer zu ärgern, als sei ihr Mangel an Talent
der Todesstoß für ihre Beziehung gewesen.
    Er schaut Violet an, Zustimmung heischend, dass man nicht richtig im
Kopf sein kann, wenn man sich fürs

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