Mit Haut und Haaren
auch nicht
gerade.
»Ich hol uns mal was zu trinken«, hatte Wytse gesagt.
Er nahm ihr die Jacke ab und wandte sich Richtung Schlafzimmer.
»Ich hab noch keine Garderobe«, erklärte er. »Tut mir leid. Hat meine
Ex mitgenommen.«
Sie legte ihre Handtasche auf den Sessel, warf einen [295] prüfenden Blick
in die Runde, als könne das Wohnzimmer jeden Moment ein Geheimnis preisgeben – doch
es geschah nichts.
Wytse schenkte ihr einen Rotwein ein und bemerkte dann: »Ich hab dich
gar nicht gefragt, was du trinken wolltest. Hattest du überhaupt Lust auf Rotwein?«
Schweigend griff sie nach dem Glas. Sie nahm
Wytses Geruch wahr. Er roch nach Marzipan und starrte sie so hartnäckig an, dass
sie verlegen einen Schritt beiseite machte.
Ihr Blick fiel auf eine Sammlung Kunstbände,
die streng alphabetisch in einem kleinen Bücherschrank standen.
Wytse streichelte ihr sanft über den Rücken.
»In deinem Beruf bist du bestimmt gut, kann ich mir vorstellen.«
Schlechte Komplimente, manche Männer sind Weltmeister darin. Aber auch
ein schlechtes Kompliment ist besser als gar keins.
»Ich entwerfe Taschen«, hatte sie gesagt, obwohl er das schon längst
wusste. »Damenhandtaschen, die in China hergestellt werden, manchmal auch etwas
für Herren. Einen Gürtel. Oder eine Brieftasche.«
Unehrliche Komplimente sind meist welche, die sich auf den Körper beziehen.
Was für schöne Haare du hast. Was für einen knackigen Hintern. Was für ein entzückendes
Näschen. Von einer Nase sagt man nie, sie sehe appetitlich aus, von einem Hintern
schon. Auch Frauen haben schon mal zu ihr gesagt, dass sie einen hübschen Hintern
hat. »Mein Gott, dein Hintern, ich werd nicht mehr!« Das war als Kompliment gemeint,
und so hatte sie es auch aufgefasst.
»Und wo steht nun die Lampe von deiner Ex?«
[296] Er hatte ihre Hand genommen und sie hinter sich hergezogen. Sie fand
ihn unverfroren, aber sie musste zugeben, dass seine Unverfrorenheit etwas Prickelndes
hatte. Mit allzu schüchternen Männern konnte sie nichts anfangen.
»Da«, sagte er.
Sie betrachtete die Lampe. Nichts Auffälliges an ihr zu sehen. Weder
besonders hässlich noch besonders schön. Sie selbst hätte so etwas nie gekauft. Von wegen Kreativcampingplatz!
»Wir machen eine kleine Führung«, sagte Wytse, der sie immer noch bei
der Hand hielt. »Das ist die Küche.«
Wie das Wohnzimmer war auch die Küche ordentlich aufgeräumt und mit allem
Komfort ausgestattet. Nagelneue Zitruspresse, funkelnde Espressomaschine, ein Stabmixer,
offenbar auch neu, eine Brotbackmaschine, darüber ein
kleines Gemälde, vermutlich eine afrikanische Landschaft.
Er zog sie weiter. »Mein Studierzimmer«, sagte er, ohne ihre Hand loszulassen.
»Auch als Gästezimmer zu gebrauchen. Eventuell auch als Kinderzimmer.«
»Schön«, sagte Violet. »Ein Kinderzimmer.
Hattet ihr Pläne?«
»Das Schlafzimmer. Ja, sie wollte gern Kinder. Aber als sie sich gegen
mich und für den Campingplatz entschieden hat, hab ich ihr hinterhergerufen: ›Such
dir für dein Kind doch einen anderen Dummen, du Kreativtussi!‹«
Er ließ ihre Hand los, plumpste aufs Bett und federte sofort wieder hoch.
»Eine neue Matratze hab ich mir auch gekauft«,
sagte er. »Ich dachte: Aus mit der Freundin, weg mit der alten Matratze. Und einen
Stabmixer und eine Brotbackmaschine [297] hab ich auch gleich angeschafft. Ich bin ein spiritueller Typ. Ich folge meinen Assoziationen.
Ab und zu meditiere ich. So geht es mir am besten.«
Sie selbst fand es nicht entscheidend, ob man mit dem Freund zusammenwohnt
oder nicht, aber während sie die neue Matratze musterte, wurde ihr klar, dass für
Roland kein Drandenken war. Wie lange sie sich auch kennen mögen. Sie darf ihn in
seinem Best Western besuchen, mit ihr zusammenziehen hingegen würde er nie.
»Könnte ich dich mit einem Satellitentelefon beglücken?«, fragte Wytse
auf einmal. »Ich weiß, es ist ein etwas seltsames Geschenk, und eigentlich brauchst
du hier ja auch gar keins, aber vielleicht, wenn du irgendwann mal eine Fernreise
buchst … Ich bekomme immer ein paar als Werbegeschenke.«
Er streichelte ihr über den Rücken. Sie hätte jetzt gehen können, aber
sie fragte sich, ob Roland es schlimm fände, wenn sie bliebe. Fände sie es selbst
schlimm?
»Na«, antwortete sie, »wenn ich mal eins brauche, lass ich es dich wissen.«
Wytse küsste sie, und sie erwiderte seine Küsse. Wie die beiden letzten
Male kam er in Schwung, sobald er einmal anfing zu
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