Mit heißer Nadel Jagd auf Kids
für immer. Sobald ich der Schlossherr
bin, geht’s ohnehin nur noch mich an, was sich hier abspielt. Die Keller sind
tief.“
„Sobald schon?“, höhnte die
Semmeling. „Darf ich mal lachen? Seit acht Wochen vergiftest du den Alten. Was
kriegt er? Arsen! Immer in kleinster Dosierung. Und der Alte stirbt nicht und
stirbt nicht und stirbt nicht. Der wird noch 100. Eine lange Zeit, bis deine
Martina den ganzen Kram erbt. Und wie du sie dann ausbooten willst, damit wir
drei...“
„Ach, halt doch den Rand!“,
schnappte Prötl mit einem Kopfruck über die Schulter. „Ich weiß, was ich tue.
Dass ich ihn siechen lassen, den Alten, jeden Tag etwas mehr — das ist ja der
Trick. Ganz allmählich sollen ihn die Kräfte verlassen. Es muss aussehen wie
Altersschwäche, sonst haben sie mich gleich am Kragen, die Bullen. Wenn ich ihm
zu viel in den Kräutertee gebe und er im Handumdrehen abschnappt — um Himmels
willen! Nein! Der dümmste Dorfpolizist würde misstrauisch werden.“
„Aber mach nicht zuuuu lange
mit ihm rum“, sagte Heisung. „Dass wir pleite sind, muss kein Dauerzustand
werden.“
Klößchen konnte kaum atmen.
Verbrecher! Giftmörder! Eine Verschwörung! Um Erbschaft ging’s. Prötls Frau
schien die Erbin zu sein, aber keine Komplizin. Dass die drei so ungeniert
redeten, konnte nur eins bedeuten: Die Jungs würden keine Gelegenheit mehr
haben, von ihrem Wissen Gebrauch zu machen.
99 Stufen. Unten war ein
Verlies. Dort lag Karl auf dem Boden, gefesselt und geknebelt. So hatten sie
ihn hergebracht. Seit zwei Stunden, etwa, arbeitete er an seinen Fesseln. In
diesem Augenblick streifte er die letzte ab. Indem er aufstand, nahm er sich
den Knebel aus dem Mund.
„Hast du dich auch übertölpeln
lassen, Schafsnase?“, motzte er Klößchen an.
Prötl und Heisung reagierten
sofort und stürzten sich auf ihn. Klößchen warf sich in das Getümmel, und
augenblicklich war die schlimmste Balgerei im Gange. Sie wäre nicht gut
ausgegangen für die Jungs. Aber Klößchen konnte den abgebrochenen Stiel einer
Spitzhacke fassen und drosch damit um sich.
Heisung verlor ein halbes Ohr.
Prötl ging bewusstlos zu Boden — ein Zufallstreffer hatte ihn niedergestreckt.
Dass die Semmeling türmte,
merkten die Jungs zu spät. Absätze klapperten auf uralten Steinstufen. Die Frau
hetzte die 99 Stufen hinauf. Aber das war kein empfehlenswerter Fluchtweg. Denn
als sie keuchend und ausgepumpt auf den Schlosshof stolperte, sah sie sich
einem Halbdutzend grimmiger Gendarmen gegenüber.
Inspektor Eckerts Leute waren
noch rechtzeitig eingetroffen.
12. Gift als Medizin
Die Verschwörung war
aufgedeckt. Das Trio wanderte hinter Gitter. Martina Prötl, geborene Meyer,
überwand den Schock, dass ihr Mann ein Verbrecher war und sie nur Mittel zum
Zweck gewesen. Dank der Jungs lernte sie noch am selben Tag ihren Vater kennen,
der sich eines Besseren besann und nicht länger vor seiner Tochter versteckte.
Sie würde es fortan sein, die sich um ihn kümmerte.
Karl wurde vom Polizeiarzt
untersucht, dann ins Krankenhaus geschickt und dort geröntgt. Das Ergebnis war so
wie er sich fühlte: bestens. Der Hieb mit dem Gummiknüppel hatte keinen
gesundheitlichen Schaden verursacht.
Am nächsten Tag waren die Jungs
bei Inspektor Eckert im Büro. Der behandelte sie wie Ehrengäste auf einem
Staatsempfang.
„Es wird euch interessieren:
Auch Herr von Villenau ist jetzt im Krankenhaus und wurde wegen des Arsens
untersucht. Immerhin währt der Giftanschlag durch Prötl schon seit acht Wochen.
Nun hat sich was Witziges rausgestellt: Villenau leidet — um es mal vereinfacht
auszudrücken — an einer schweren Infektion. Bei geschwächten Patienten seines
Alters verläuft die im Allgemeinen tödlich — wenn sie nicht behandelt wird.
Früher — das ist der Witz an der Sache — hat man dieses Krankheitsbild
erfolgreich mit kleinen Gaben von Arsen kuriert. Das bedeutet: Ohne Prötls
Giftmordversuch wäre Herr von Villenau längst gestorben. Das Gift war seine —
Medizin.“
„Stark!“, grinste Karl.
„Es gibt auch
Krankheitsbilder“, sagte Klößchen, „die man mit Schokolade erfolgreich
behandelt. Da bin ich Spezialist.“
„Aber auf die Dosierung kommt
es an“, lächelte Eckert.
Jetzt, dachte Karl, kann ich
vielleicht den Hebel ansetzen für unser eigentliches Anliegen.
„Ist Ihnen aufgefallen, Herr
Inspektor“, fragte er scheinbar arglos, „dass Heisung auf der linken Hand total
tätowiert ist?“
Eckert nickte.
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