Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
liebend gerne verzichten. Obwohl sie dann insgesamt gesehen hoffentlich in einer besseren Ausgangslage wäre – angestellt bei einem namhaften Modeschöpfer, unabhängig und ohne die anstrengenden Verpflichtungen, die der Umgang in den Kreisen der besseren Gesellschaft mit sich brachte – insgeheim fragte sie sich, ob es ihr wohl fehlen würde, so viel Zeit mit Wyatt zu verbringen, und musste davon ausgehen, dass dem so sein würde. »Wie war es für dich als Kind mit so eleganten Eltern aufzuwachsen?«, fragte sie in die Betrachtung eines Schwarz-Weiß-Fotos seiner Eltern im Salon ihrer Fifth-Avenue-Wohnung versunken. Es musste vor Dutzenden von Jahren am Silvesterabend aufgenommen worden sein, den glitzernden Partyhütchen nach zu urteilen, die sie aufgesetzt hatten, und den Tröten und dem eisgekühlten Champagner im Kübel vor ihnen. Wyatts Vater hatte den Arm um die Schulter seiner Frau gelegt; sie hatte den Kopf leicht in den Nacken gelegt und lachte. Beide wirkten nicht nur glamourös und ordentlich in Schale geschmissen, sondern richtig glücklich. Ein Glück, wie man es nicht für ein Foto stellen kann.
»So habe ich das nie gesehen«, meinte Wyatt und lehnte sich zu ihr rüber, weil er sehen wollte, welches Foto sie sich gerade anschaute, wobei er ohne es zu wollen die Pose seines Vaters nachahmte. »Wie bist du diese Woche mit der Arbeit vorangekommen? Irgendwelche guten Ideen?«
Lucy schüttelte den Kopf. Den ganzen Nachmittag hatte sie in ihrem Portfolio herumgeblättert, bis sie schließlich zu dem Schluss gekommen war, dass keiner ihrer Entwürfe – weder der Overall auf Metallgewebe mit dem Kettengürtel noch das Sechzigerjahre-Minikleid und auch nicht das Korsagenkleid mit dem tiefen Rückenausschnitt – so aufsehenerregend
waren, dass sie für ihr Debüt als Designerin auf den Seiten von Townhouse getaugt hätten. Inzwischen rückte der Fototermin in der nächsten Woche bedrohlich nahe. »Ich wünschte es. Aber ich bin leer.« Überall dabei zu sein, hatte bei Lucy den Sinn dafür geschärft, welche geheimen Kleiderträume die bestangezogenen Frauen der Stadt hegten. Es war, als hätten ihre Entwürfe sich vor ihren Augen ebenso sehr verwandelt wie sie selbst. Und Wyatt hatte recht: Alles war wild zusammengewürfelt, und ein einheitlicher Stil war nicht erkennbar, den man als ihre eigene, unverwechselbare Handschrift bezeichnen könnte. Sie war stolz darauf, dass sie es schaffte, Narciso Rodriguez’ strukturierte, sinnliche Entwürfe perfekt nachzuahmen, aber was hatte sie selbst zu bieten, das frisch und innovativ war?
»Du schaffst das schon«, meinte er aufmunternd.
Lucy wünschte, sie wäre sich da genauso sicher wie er.
Fröhlich schaufelte Wyatt gerade noch mehr Bœuf à la Margaret in sich hinein, als das Telefon klingelte. Die Anruferkennung blökte metallisch scheppernd Theo Galt durch die Wohnung. Wyatt guckte etwas verdutzt aus der Wäsche. »Der Typ telefoniert dir immer noch hinterher? Man müsste doch meinen, inzwischen hätte er endlich verstanden.«
Sie schaute von dem Foto auf, das Wyatts Mutter für ein Damen-Lunch zeigte. »Wie meinst du das?«
»Na ja, nachdem er dich bei der Geburtstagsfeier seines Vaters deinem Schicksal und den Flammen überlassen hat, dachte ich, du hättest ihn abgesägt.«
Lucy lachte. »Bist du da nicht ein bisschen melodramatisch? Aber egal, wir haben uns letzte Woche vor der Party im Museum of the City of New York rasch auf einen kleinen Drink getroffen.« Sie legte das Album beiseite und nahm die Form mit dem Hackfleischauflauf vom Couchtisch. Ehrlich
gesagt, schmeckte der nach all den fabelhaften Menüs, die sie in letzter Zeit aufgetischt bekommen hatte, ziemlich widerlich. Aber Wyatt konnte davon einfach nicht genug bekommen.
»Das hast du mir gar nicht erzählt.« Er wirkte gekränkt.
»Entschuldige, hätte ich tun sollen«, lenkte sie schnell ein. »Aber es war bloß ein Drink – ganz ehrlich, ich hatte es schon völlig vergessen. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an das Foto-Shooting, und daran, dass ich womöglich die dickste Chance, die ich je bekommen werde, in den Sand setze.«
Das Telefon hörte auf zu klingeln, und stattdessen trompetete nun der Anrufbeantworter: Lucy, Babe, hier ist Theo. War toll, dich letzte Woche zu sehen. Ende des Monats bin ich wieder in der Stadt, und diesmal müssen wir unbedingt so viel Zeit wie möglich zusammen verbringen. Ruf mich an, Babe.
» Unbedingt?« Wyatt tat, als schüttelte es
Weitere Kostenlose Bücher