Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
seiner Meinung fragen zu können, aber ihre Finger sträubten sich vehement dagegen, seine Nummer zu wählen.
»Vielleicht ziehst du dich schon mal an?«, schlug Emiku vor, ebenso nüchtern und tüchtig wie ihre Chefin. »Am besten
fangen wir einfach ohne die anderen an, wer weiß, wann die hier auftauchen.«
Von den vier Societymädels, die für die Fotostrecke abgelichtet werden sollten, war Lucy die einzige, die pünktlich erschienen war. Bei dem Shooting sollten sie sich im Central Park Zoo unter Eisbären und Lemuren mischen. Lucy würde wetten, den anderen Mädels war es vermutlich überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass Townhouse ein knapp bemessenes Budget hatte und dass jede Stunde, die Friseure, Visagisten, Fotografen und Fotoassistenten warten mussten, die Zeitschrift bares Geld kostete. Kein Wunder, dass Mallory Kaffee inhalierte wie ein Trucker, der noch achthundert Meilen Landstraße vor sich hatte.
Folgsam verschwand Lucy hinter dem Vorhang des improvisierten Umkleidebereichs und streifte das grüne Kleid über, ganz vorsichtig, um den knallroten Lippenstift nicht zu verschmieren, den die Visagistin ihr so kunstvoll auf den Mund gepinselt hatte. Aufmerksam betrachtete sie die Frau in dem raumhohen Spiegel, der an der Wand lehnte. Würde sie dieser Frau auf der Straße begegnen, sie würde womöglich zweimal hinschauen, weil ihr das Gesicht irgendwie bekannt vorkam – aber nie würde sie sich trauen, einfach hinzugehen und sie anzusprechen. Sie hatte volles, schimmerndes Haar, das ihr in perfekten, lockigen Wellen auf die Schultern fiel. Ihr feiner, makelloser Teint schien im Kerzenlicht zu strahlen. Sie war schlanker geworden, obwohl sie immer noch appetitliche, gesunde Kurven hatte.
Sie hörte eine Tür zuschlagen, und gleich darauf tönte Libets nasale Stimme durch den Wohnwagen. »Die hat sie selbst gemacht? Hört doch auf!«
Vorsichtig steckte Lucy den Kopf durch den Vorhang und sah die langbeinige blonde »Künstlerin« neugierig ihre mitgebrachten
Kleider durchgehen. Bond-Girl-Bewerberin Anna Santiago, Libets schmolllippige Busenfreundin seit ihrem gemeinsamen Debüt beim Le Bal Crillon, schaute ihr über die Schulter und beäugte Lucys Kreationen genauso begeistert wie Libet. Annas Papi, ein venezolanischer Öl-Milliardär, verwöhnte das liebe Töchterlein gerne nach Strich und Faden. Schmuck, Autos, ein Haus in den Hamptons für zweihundertfünfzigtausend Dollar Monatsmiete – bisher hatte Anna sich einiges einfallen lassen, um Papas Geld unter die Leute zu bringen. Lucy traf die beiden regelmäßig bei irgendwelchen gesellschaftlichen Anlässen, aber bisher hatten sie sich bloß flüchtig unterhalten.
»Gefällt’s euch?« Lucy versuchte, ganz lässig und souverän zu klingen, aber es war beängstigend, aus nächster Nähe die Reaktion zwei der modebewusstesten Mädels mitzuerleben, die sie je kennengelernt hatte.
»Und wie! Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so begabt bist!« Anna ließ sich im Schneidersitz auf einem Stuhl nieder, um sich schminken zu lassen. Sie zündete sich eine Zigarette an, während die Visagistin mehrere Grundierungen ausprobierte, um zu sehen, welche am besten zu ihrem goldbraunen Teint passte. »Du musst unbedingt ein Kleid für mich machen! Dieses fuchsienfarbene wäre perfekt für die Hochzeit meiner Cousine nächsten Monat in Bogotá.«
»Die Hose ist der Hammer«, fügte Libet hinzu und hielt eine anthrazitfarbene Hose mit ausgestelltem Bein und goldfarben abgenähtem Saum in die Höhe. Um den Kopf trug sie etwas, das aussah wie ein Schnürsenkel, den sie sich um die Stirn gebunden hatte. »Die erinnert mich an diese rattenscharfe Hose, die meine Mutter damals in den Siebzigern getragen hat. Kannst du mir auch so eine machen?«
»Aber klar!« In Lucys Bauch kribbelte es vor Freude. Diese
Mädels sahen zum Anbeißen aus, waren berühmt-berüchtigt für ihren Chic und wurden auf Schritt und Tritt fotografiert. Würden diese beiden ihre Modelle tragen – und dann auch noch jedes Mal ihren Namen erwähnen, wenn sie von Reportern nach dem Designer gefragt wurden -, dann wäre das genau die richtige Werbung, um ihr eigenes Modelabel auf die Beine zu stellen. Besser konnte es eigentlich gar nicht laufen. Sie konnte es kaum erwarten, Wyatt davon zu erzählen.
»Lucy, was hältst du davon, wenn wir eine Aufnahme von dir inmitten der Pinguine machen?«, schlug Giles, der Fotograf, vor, dessen französischer Akzent kam und ging wie ein Radiosender auf
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