Mit Herz und Skalpell
sie zu. »Kann sein.« Sie hatte keine Lust auf Konversation.
Melanie schien jedoch umso mehr Lust darauf zu haben. »Dann hast du die Stelle also bekommen. Alexandra hat sich bestimmt für dich eingesetzt.« Sie hielt einen Moment inne. »Und auf welcher Station arbeitest du jetzt?«
Linda seufzte. Es war offensichtlich, dass Melanie nicht aufgeben würde – also war es am einfachsten, ihr schnell alle Fragen zu beantworten und dann hoffentlich in Ruhe gelassen zu werden. »Ich bin auf der Chirurgischen Onkologie, also bei Alexandra.«
Melanie lachte sarkastisch auf. »Das hätte ich mir ja denken können. Sie kann ihre Finger nie bei sich behalten. Erst recht nicht bei so hübschen Frauen.«
Schon wieder jemand, der solche komischen Andeutungen über Alexandra machte. »Wie meinst du das?«
Melanie kam auf Linda zu. Ganz dicht vor ihr blieb sie stehen. Sie legte einen Finger unter Lindas Kinn, hob ihren Kopf leicht an und sah ihr eindringlich in die Augen. »Pass auf dich auf, Kleines. Sie ist skrupellos. Kleine Assistentinnen wie dich verspeist sie zum Frühstück. Ich rate dir: Halt sie besser auf Distanz.«
~*~*~*~
A lexandra brauchte erst einmal einen starken Kaffee, nachdem ihr Doktorand wieder gegangen war. Es war eine Frechheit gewesen, was er ihr abgeliefert hatte. In den letzten zwei Monaten war er keinen Schritt vorangekommen. Wenn Alexandra seinerzeit eine solche Einstellung gehabt hätte, wäre sie wahrscheinlich noch immer Assistenzärztin. Er war zwar nett und bemüht, aber es mangelte ihm eindeutig an Ehrgeiz und Fleiß.
Sie seufzte. Natürlich konnte es mal stressige Phasen geben, aber dann legte man eben eine Nachtschicht ein. Schlaf war nichts gewesen, was sie während ihres Studiums im Überfluss gehabt hatte. Klausuren waren doch kein Hinderungsgrund, an der Doktorarbeit weiterzukommen!
Alexandra griff nach einigen wissenschaftlichen Artikeln, die sie für eine neue Publikation noch lesen musste. Es war schon wieder fast neunzehn Uhr, und sie hatte noch einiges an Arbeit vor sich. Aber Feierabend wurde ohnehin überbewertet. Zu Hause wartete niemand auf sie. Was sollte sie in ihrer leeren Wohnung?
Gerade als sie den ersten Artikel beendet hatte, klopfte es an der Tür. »Ja, bitte«, rief sie.
Rainer betrat das Büro. »Noch fleißig?«
Alexandra zuckte mit den Schultern. »Keine andere Wahl.«
Ohne Umschweife kam Rainer zur Sache: »Ich war heute noch mal beim Chef und habe mit ihm wegen der Neubesetzung gesprochen.«
Alexandra fühlte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Und?«, fragte sie möglichst ruhig.
»Er ist der Meinung, dass eine interne Besetzung die beste Lösung wäre. Und ich habe ihn noch einmal nachdrücklich auf dich aufmerksam gemacht.«
»Danke.« Alexandra lächelte.
»Aber . . .« Unvermittelt wurde sein Blick ernst. »Ich habe gehört, du bist nicht die Einzige, die sich Chancen ausrechnet.«
»Wer?« Alexandra sah ihn unverwandt an.
»Jochen Gärtner.«
Alexandras Zähne pressten sich so fest aufeinander, dass ihr Kiefer schmerzte. Jochen Gärtner. Wer auch sonst? Ausgerechnet.
»Du weißt, dass du besser bist als er.«
» Ich weiß das, ja«, brummte Alexandra. Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen.
»Professor Rosenbusch auch. Da bin ich mir ganz sicher.« Rainer legte ihr eine Hand auf den Arm. Offensichtlich konnte er ihre Anspannung spüren.
Alexandra holte tief Luft. »Vielleicht.« Sie starrte ihren Schreibtisch an. »Aber er ist älter. Und sieben Jahre länger hier als ich. Damit hat er in den Augen des Chefs sicherlich einen Erfahrungsvorsprung. Und . . . nicht zu vergessen, er ist ein Mann. Mit einer heilen Familie. Mutter, Vater, Kind.«
»Was spielt das für eine Rolle?«
Alexandra hob den Blick wieder. »Für dich und für mich wahrscheinlich keine. Aber in dieser konservativen Chirurgenwelt eine große.«
Rainer nickte langsam. »Wäre möglich.«
Das hieß, Alexandra musste noch besser werden. Sie durfte Jochen keine Chance lassen. Wenn sie die Stelle wollte, musste sie darum kämpfen.
Und sie wollte sie. Mehr als alles andere.
~*~*~*~
» I ch kann heute Abend nicht mitkommen.« Vorsorglich hielt Linda den Telefonhörer etwas von ihrem Ohr weg. Sie wusste schon, was kommen würde.
Und richtig: »Das ist nicht dein Ernst«, schimpfte Janne, ihre beste Freundin, lautstark. »Du kannst mich nicht einfach hängen lassen. Du musst kommen.«
Linda seufzte. »Ich kann nicht. Ich wünschte ja auch, dass es anders
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