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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Handfläche auf bloßer Haut. Doch bevor es soweit kommt, patrouilliert eine verständigte Polizeistreife durch das Camp. Im nebeligen Morgen verebbt das Geschrei und auch das »Pscht! «-Gezische aus den Zelten.
    Die Holländer nehmen bereits zur Abfahrt Aufstellung, als wir erst unsere Matten zusammenrollen. Ein kurzer Smalltalk mit gegenseitigen guten Wünschen und die Kolonne setzt sich in Bewegung. Genau das wollen wir auch bald, nur Jockl nicht, und wider Willen sehen wir uns erneut zu schlagenden Kreaturen degradiert, die nur mit Gewalt Leben in seinen morgenkühlen Motor bringen können. Im Dorfladen decken wir uns mit dem allernötigsten Proviant ein, drehen eine Ehrenrunde vor der kleinen Kathedrale und schwirren schließlich auf der D36 Richtung Saulieu von dannen. Die sonnigen Ansätze am Morgen haben einer dunkelgrauen, himmelweiten Bewölkung Platz gemacht, und bald sitzen wir wieder wie erstarrt auf dem Jockl.
    Im 24 Kilometer entfernten Quarre-les-Tombes halten wir vor der Kirche, um am Friedhof zwischen Steinsarkophagen herumzusteigen, die hier im Ort gefunden und innerhalb und außerhalb der Kirche aufgestellt wurden. Die schmucklosen Särge, zirka 100 Stück, erwärmen unsere Herzen und das Drumherum auch nicht sehr, und so fahren wir umgehend weiter. Endlose, dunkle Nadelwälder des Morvan-Regional-Parkes drücken zudem auf eine erkaltende Stimmung und gestalten die Fahrerei ziemlich monoton. Im knapp 20 Kilometer entfernten Saint Brisson erhoffen wir uns etwas Abwechslung im Maison du Parc, einem angeblich vorbildlichen Informationszentrum des Regional-Parkes. Hier soll außerdem ein sehr interessantes Resistance-Museum untergebracht sein. Nun, das ist es auch, doch ob interessant oder nicht, das entzieht sich unserer Kenntnis, denn aus uns unbekannten Gründen dürfen wir wieder einmal vor geschlossenen Pforten herumgrummeln. Immer diese hochtrabenden Ankündigungen, die dann wie gepiekste Seifenblasen zerplatzen. Die einzige Abwechslung bringen die folgenden 13 Kilometer nach Saulieu, vorbei an dunklen Moorseen, ganzen Kerzenarmeen sich im Wind wiegender lilafarbener Fingerhüte und großen Flächen von Farnen beiderseits einer recht desolaten Straße.
    Endlich erreichen wir das dem Morvan-Gebirge vorgelagerte Städtchen Saulieu und damit auch wieder windschützende Mauern. Erleichtert klettern wir vom Jockl, den Wolfgang in einem rasanten Einschlagmanöver direkt vor dem Portal der Saint-Andoche-Kirche zum Stehen bringt. Die Stadt bietet alles, was wir brauchen und suchen: Wasserkanister, Schnüre, einen Campingplatz, Vanille-Topfen-Creme, einen Postkasten, ein »Café Parisienne« und viele andere Annehmlichkeiten. Auch mit einem Museum kann die Stadt aufwarten, auf das ich mich schon sehr freue: das Musée Pompon. Es hat dienstags geschlossen - haha! Das kann mich nicht mehr erschüttern, denn gleich morgen vormittag werden wir dort im Zweierpack auf der Schwelle stehen und Tickets lösen.
     
    Wohlige Wärme aus dem Gaskocher, den wir auf Höchststufe stellen, beendet eine ungemütlich kalte Nacht. Aber wenigstens scheint uns ein sonniger Tag beschieden - blitzblauer Himmel, kein Wind.
    Wie geplant, finden wir uns vormittags beim Musée Pompon ein. Und wie schon sein Name sagt, gehören die Räumlichkeiten fast ausschließlich den Werken Francis Pompons, einem Bildhauer der Extraklasse, der für seine formvollendeten Tierdarstellungen Berühmtheit erlangte. Alle seine Skulpturen erkennt man mühelos an ihrer geradezu frappierenden Schlichtheit und Sparsamkeit in Linie und Form. Mit wenigen Schwüngen, Rundungen und Kanten verstand er es meisterhaft, das Charakteristikum, das Wesen eines jeden Tieres herauszufiltern und auf das minimalste reduziert in Stein, Ton, Gips oder sonstigen Materialien zu verewigen. Schlendert man zwischen seinen Eisbären, Stieren, Raubkatzen, Vögeln und anderem Getier herum, ist man ständig versucht, diese zu berühren, über ihre glattpolierten Flächen zu streichen und mit den Fingerkuppen Höhlungen und Wölbungen auszukundschaften - Frangois Pompon, der Former großer und kleiner Handschmeichler, so jedenfalls sehe ich ihn. Ein absolut lohnender Besuch, den wir unweit im Café Parisienne Revue passieren lassen. Jockl wird indes umlagert, wie man es einem neuen Porsche-Modell nur wünschen kann. Wir beide tun, als gehören wir nicht dazu und flanieren noch ein wenig herum. Wolfgangs Kamera lechzt nach bunten Straßenmotiven und fotogenem, vorsintflutlichem

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