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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Karnickel aus den Winkeln der Burg aufscheuen. Die vermißte, übermäßige Freude des Wiedersehens mit Castrojeriz stellt sich unverhofft ein - wir sind die Glückspilze dieses Augenblicks.
     
    Das blecherne Glockengeläut der nahen Stiftskirche Santa María del Manzano weckt uns. Unsere Nachbarn, die belgischen Radfahrer und eine Familie aus Madrid befinden sich bereits im Endstadium des Zusammenpackens, als wir wenig abreiselustig aus dem Zelt spähen. Die Burg leuchtet in der warmen Sonne und ein klares Blau wölbt sich über den Frieden dieses Morgens. Castrojeriz bleibt leer wie gehabt, nur vor einem kleinen Lebensmittelgeschäft treffen wir eine Handvoll Bewohner, die uns, dankbar für eine Abwechslung, kaum aus ihrer Mitte lassen. Das Café und die Bäckerei - in beiden waren wir beim letzten Besuch zufriedene Kundschaft - finden wir trotz ausgiebiger Suche nicht mehr.
    Also dann Abfahrt! Letzte Blicke gehören dem Burgberg von Castrojeriz inmitten seiner befremdlichen Mondlandschaft, bevor wir in Castrillo Matajudios links nach Itero del Castillo abzweigen. Die Landschaft scheint ohne Horizont, der Himmel verliert sich irgendwo weit weg im Nichts. Hügel über Hügel unbebautes Land, und entlang der einspurigen Straße begleitet uns ein schmales Blütenband verschiedenster Blumen jener Sorte, die ausschließlich auf kargem Boden gedeihen. Auf einer elfbogigen Brücke aus dem 12. Jahrhundert überqueren wir den Río Pisuerga, gleichzeitig die Provinzgrenze zwischen Burgos und Palencia und halten geradewegs auf Boadilla del Camino zu, einem kleinen Marktflecken mit ehemals richterlicher Macht, wovon neben der Kirche noch eine gotische Gerichtsbarkeitssäule aus dem 15. Jahrhundert zeugt. Auch hier ist die Zeit nicht stehengeblieben, obwohl es anfänglich so aussieht. So können wir uns diesmal in einem neueröffneten Café, »En Camino« genannt, stärken. Mit viel Liebe haben die Betreiber ein feines Paradies geschaffen; durch ein breites Tor gelangt man in einen großen bäuerlich geführten Hof mit eingezäunten Pferden und findet sich in einem davon separierten Teil mit blühendem Garten und sonnenbeschirmten Tischen und Stühlen wieder. Auf dem gepflegten Rasen, zwischen Sträuchern und jungen Bäumen, rasten Pilger. Ihre Rucksäcke zu Arm- und Kopfstützen zurechtgebaut, lassen sie ihre brennenden Fußsohlen ausrauchen und kühlen mit nassen Handtüchern ihre hitzeglühenden Gesichter. Vier wollige Hundebabys wackeln auf noch ziemlich unsicheren Pfoten zwischen Rucksackgebirgen und Strauchdschungel hin und her und finden unter den Händen der Gäste zärtliches Getätschel und wonniges Bäuchleinkraulen. Wir schlürfen indes zwei Riesenschüsseln Milchkaffee und lassen uns vom Geschehen rundherum, den Geräuschen und Gelächter angenehm einlullen.
    Frómista heißt unser nächstes Ziel, keine sieben Kilometer von hier entfernt. Auf dem Weg dahin überholt und stoppt uns ein Pkw mit einem spanischen Ehepaar. Einmal mehr wird unser Jockl einer begeisterten Inspektion unterzogen, und wir stellen zum wiederholten Male und zur allgemeinen Verständigung unser Mimik- und Gestiktalent unter Beweis. Dem kurzen Intermezzo folgt in Frómista wieder ein längerer Augenschmaus in Form der hinreißenden Kirche San Martín, einem romanischen Juwel, wie man es selten so formvollendet finden wird. Die dreischiffige Kirche bezaubert durch gefällige Proportionen, besticht durch ihre einfachen, klaren Linien, bar jeder Schwere, die sonst oft romanische Bauten kennzeichnet. Einzigen Schmuck stellen innen die reichverzierten Kapitelle unter dem Tonnengewölbe und außen die 315 künstlerisch fantasievollen Sparrenköpfe unter einem mit Hohlziegeln gedeckten Dachwerk. Fratzen, Gesichter, Dämonen, Tiere, Fabelwesen und menschliche Gestalten schauen in einer Frische auf uns herab, als hätte sie der Steinmetz gerade erst aus seinem gutgeführten Meißel entlassen - die perfekte Restaurierung eines perfekten Bauwerks wird hier ersichtlich. Weniger sorgfältige Erhaltung kann hingegen die Kirche Santa María la Blanca in Villalcázar de Sirga, 13 Kilometer nordwestlich von Frómista, für sich beanspruchen. Der eigentlich unansehnliche, klotzige Bau aus dem 13. Jahrhundert besitzt zwei außergewöhnlich schöne Stufenportale, die im rechten Winkel zueinander stehen, leider vom nagenden Zahn der Zeit befallen. Doch wütet vielerorts noch manch arger Verfall, so wird in den Städten und Orten entlang des Jakobswegs eine

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