Mit Jockl nach Santiago
generelle Restaurierungs- und Sanierungswelle deutlich. Die Regionen und einzelnen Provinzen sind sich inzwischen der zunehmenden Popularität des Jakobswegs bewusst und kümmern sich in vermehrtem Maße um Erhaltung und Instandsetzung jahrhundertealten Baugutes. Zudem trug man dafür Sorge, daß der gesamte Verlauf des Caminos von den Pyrenäen bis nach Santiago in vorbildlicher Weise beschildert wurde. Man findet sich überall mühelos zurecht, und vor Ortseinfahrten stehen die jeweiligen jakobäischen Sehenswürdigkeiten groß auf Tafeln angekündigt, Pilgerführer erleichtern die Orientierung und beinhalten Hinweise und Übernachtungsmöglichkeiten in Pilgerrefugios und billiger Verpflegung. Außerdem trifft man ja immer wieder auf Gleichgesinnte, die in diversen Nöten mit Tips und guten Ratschlägen weiterhelfen.
Weniger Hilfe können wir uns erwarten, als vor Carrión de los Condes unsere Blinkbeule zum x-ten Male streikt. Die Besichtigung fallt flach, stattdessen bastelt Wolfgang verbissen an der Wiederbelebung des unwillig gewordenen Motors. Die Sonne knallt auf den Asphalt und steigt von dort in einem Hitzewall auf, in dem wir wie Tortenguß zerfließen. Der Stadtbummel wär ohnedies kein Vergnügen, auch wenn das alte, winkelige Carrión mit einem Großaufgebot an Kirchen und Klöstern aus seiner jakobäischen wie ruhmreich königlichen Vergangenheit aufwarten könnte. Sobald es die erfolgreiche Reparatur zuläßt, flüchten wir mit dem Jockl in ein selbstproduziertes Lüftchen und legen gleich noch einen Zahn zu, um den Fahrtwind so gut wie möglich auszukosten. Und während wir in der Sonne wie Spiegeleier in der Bratpfanne brutzeln, feiert die Landschaft orgiastische Farbfeste. Getreidefelder glühen im Rot der Mohnblumen, Pappelgrün und Hornkleegelb entlang der Straße, Schilfgrün im Schatten kleiner Rinnsale, daneben Rosa, Violett, Gelb und Margeritenweiß, rostrote Erde auf den Äckern und über allem das flimmrige Blau des Himmels - man möchte sich wälzen in all dieser Farbenpracht. Auf den wenigen mageren Gestrüppweiden dazwischen rupfen Schafe trockenes Gehalm, und selten zeichnen sich irgendwo weit draußen in der Ebene die Häuser eines abgelegenen Dorfes gegen den Horizont ab.
Nach der Provinzgrenze zwischen Palencia und León kündigt sich in einem aufwendigen Umfahrungsprojekt Sahagún, ein weiterer großer Ort am Camino an, und wir sind froh, die Asphalthitze bald gegen eine kalte Dusche am Campingplatz tauschen zu können.
Nach schier endlosen Grillfestivitäten kehrt erst gegen Morgen vollkommene Ruhe ein und geht nahtlos in einen vormittäglichen Sonntagsfrieden über. Nur eine holländische Reitergruppe macht sich, wie wir beide, zu urlaubsschlafener Zeit an den Aufbruch. Die Gäule weiden außerhalb des Camps unter schattigen Bäumen und warten dort dösig auf ihr Gesatteltwerden. Die Gruppe hat am Somport, an der spanischen Grenze, die gemieteten Pferde bestiegen und reitet seither in gemächlichen Etappen entlang des Camino nach Santiago; sicher eine sehr erlebnisreiche Tour - eine Reisevariante, mit der auch wir liebäugeln. Jockl macht heute wieder Stunk; es dauert immer länger und sein Geröchel klingt immer besorgniserregender, ehe er seinen knattrigen Bass ertönen läßt. Beunruhigt nebeln wir nach Sahagún hinauf, um uns dort etwas von den anstehenden technischen Problemen abzulenken. Der Stadt - sie galt einst als eine der belebtesten am Jakobsweg - bringt man wohl erst auf den zweiten Blick etwas Sympathie entgegen, und stünden hier nicht einige Meisterwerke aus mudéjarer Vergangenheit, die obendrein mit zu den bedeutendsten Bauten der Provinz Leon zählen, lohnte sich der Ort gerade mal für eine Tasse Kaffee. Ungeachtetdessen beginnen wir unseren Besichtigungsrundgang bei der Klosterruine San Benito, bummeln hinüber zum Schmuckstück der Stadt, der Kirche San Tirso, einem ziegelsteinernen Mudéjarbau von anziehender Eleganz mit einem großartigen, sehr breiten, arkadendurchbrochenen Turm und einfachen Blendbögen an den drei Chorapsiden. Wenige Gehminuten davon entfernt begeistert die Kirche San Lorenzo als weitere mudéjare Augenweide. Ein mächtiger Turm über dem Chor in der Art eines italienischen Campaniles mit vier verschieden hohen Arkadenreihen überragt das schlichte Langhaus mit seinen beiden Seitenschiffen. Doch wie man sieht, verhilft hier auch der Denkmalschutz nicht zur Schließung großer Gemäuerwunden, die die Kirche in bedenklicher Weise
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