Mit Konfuzius zur Weltmacht
Bei der Munk-Debatte in Toronto zog Niall Ferguson, Professor für Wirtschaftsgeschichte in Harvard und Autor von Bestsellern wie Civilization – The West and the Rest , einen Vergleich: »Hätte vor hundert Jahren jemand gesagt, das 20. Jahrhundert würde den USA gehören, wäre das für absurd erklärt worden. Engländer hätten eingewandt: ›Diese Yankees mit ihren lächerlich kleinen Streitkräften! Gut, sie haben eine große Wirtschaft, aber schaut auf all ihre sozialen Probleme. Schaut auf das Elend und die Armut in ihren Städten.‹ Es hätte damals viele Argumente dafür gegeben, dass die USA ins Stocken geraten werden.« Genauso, meinte Ferguson, ist es mit China heute.
Seine Nachbarn jedenfalls sind besorgt. Im Weißbuch des chinesischen Staatsrats heißt es: »China hat Landgrenzen von 22 000 Kilometern und eine Küstenlinie von 18 000 Kilometern. China sieht sich mannigfachen traditionellen und nicht traditionellen Sicherheitsrisiken gegenüber und der Gefahr durch Separatisten und Terroristen.« Was den wachsenden Militärhaushalt entschuldigen soll, klingt für andere wie eine Drohung, sind viele Abschnitte der langen Grenzlinie doch umstritten. 1962 kämpften Chinesen und Inder deshalb gegeneinander; 1979 schockierte die Volksrepublik viele Altlinke, als sie − nach dem Ende der amerikanischen Invasion − Vietnam überfiel. Immer wieder streiten sich China und Japan um die Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer. China und andere Anrainerstaaten wie Vietnam und die Philippinen erheben Anspruch auf die Paracel- und Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer. Scheinbar geht es dabei nur um nationale Würde, denn die meisten dieser Inseln bestehen aus kahlen Felsen, die von Schildkröten bewohnt werden. Doch die Lage kann explodieren: Chinesische Geologen vermuten auf dem Meeresgrund dort 25 Milliarden Kubikmeter Gas und fast 200 Milliarden Barrel Öl – was knapp einem Drittel des weltweit bisher geförderten Öls gleichkäme.
Afrika fest in chinesischer Hand
Eine rote Chilibrühe dampft. Händlerinnen preisen Innereien vom Schwein an, die in durchsichtigen Plastikbeuteln verpackt sind. Die Frauen hinter dem Imbissstand kommen aus der chinesischen Provinz Sichuan, insofern ist ihr Angebot nicht ungewöhnlich, doch schwarzafrikanische Jungs bestaunen die fremden Speisen. Die wenigen Einheimischen stechen hervor aus der Masse von chinesischen Bauarbeitern, die hier eine Stärkung kaufen. Wir sind nicht in Asien, sondern in Angola.
»300 000 Chinesen arbeiten hier«, sagt einer der Bauarbeiter. »Quatsch«, widerspricht ein anderer, »wir sind bereits eine halbe Million.« Offizielle Vertreter der Botschaft Chinas geben niedrigere Zahlen an, wollen keine Angst vor einer chinesischen Übermacht aufkommen lassen.
Aber sicher ist: In diesem südwestafrikanischen Land, das selbst nur 18 Millionen Einwohner zählt, befinden sich Zehntausende, wahrscheinlich Hunderttausende Chinesen. In anderen Regionen des schwarzen Kontinents sieht es genauso aus. Immer geht es dabei um Rohstoffe – in Angola vor allem um Öl. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Ölproduktion hier verdoppelt. Das Blut der Erde fließt aus dem Meeresboden, Tanker bringen es aus dem Hafen der Hauptstadt Luanda in alle Welt – zu 40 Prozent ins Boomreich China.
Hinter dem Hafen wühlen Kinder im Müll, reißen Drähte aus weggeworfenen Radios und PCs, um sie weiterzuverkaufen. Die Wellblechdächer auf den Behausungen der Favelas sind mit Steinen beschwert, Wasser bekommen ihre Bewohner nur an öffentlichen Wasserstellen. Noch leben die meisten Angolaner in Armut, doch eine wachsende Oberschicht profitiert von dem schwarzen Goldrausch. Auf Plakaten werben Models für das Banking per SMS, und nur wenige Kilometer von den Müllhaufen entfernt drehen sich die Kräne. Für Afrikas Neureiche stampfen Chinesen Wolkenkratzer aus dem Boden.
»Kein anderes Land hat in Angola so viele Baustellen wie China, nicht einmal Brasilien und Portugal, die immerhin die gleiche Sprache sprechen«, sagt der angolanische Politologe Orlando Ferraz, der in Bonn und Köln studiert hat. »Öl spielt dabei eine wichtige Rolle, denn die großen Kredite, die uns China gibt, werden durch Öllieferungen abgesichert. Deshalb haben die Chinesen hier so viele Baustellen bekommen.«
Sie errichten nicht nur Bürobauten und Villen, sondern auch Apartmenthochhäuser für den Mittelstand. Neue Wohnungen in grün und gelb getünchten Hochhäusern warten auf ihre Besitzer.
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