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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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nickte grimmig und sprach aus, was ich nur zu denken dachte: »Sie sollte sich
unglücklich
in einen Jungen verlieben.«
    Aber einige Dinge kann man nicht planen. Sie passieren dann einfach, besser als gedacht. Natascha verliebte sich in einen Jungen, der mit Menschen offenbar erst so wenig Kontakt gehabt hatte, dass er auch sie für einen hielt. Er fand sie nicht furchterregend oder gemeingefährlich – er fand sie einfach nicht interessanter als eine schöne Glasscherbe, die irgendwo liegt.
    Natascha kochte vor Wut, und ihre Tarnung bekam Lücken. Sie wurde unbeherrscht, wenn mein Vater anwesend war, und verschwand öfter in ihrem Zimmer, um an ihrer Eroberungsstrategie zu feilen.
    »Sie liebt die Jagd«, kommentierte meine Mutter ihr Verhalten, »nicht auszudenken, was passiert, wenn der Typ sich in ein anderes Mädchen verlieben würde, vielleicht in ein normales.«
    Die Möglichkeit, dass meine Schwester in ihrem Leben doch einmal die Rolle des normalen Mädchens spielen sollte, hätte sich wirklich niemand auszudenken vermocht. Doch Nataschas Objekt der Begierde verliebte sich in meine Schwester. Er warb um sie, und er gewann sie.
    Bevor Natascha nach Hause fuhr, fuhr sie komplett aus ihrer Schlangenhaut. Schnaubend und tobend tat sie etwas so Dämliches, das sie uns fast leidtat. Sie petzte bei meinem Vater: »Deine Tochter hat mir den Freund ausgespannt. Sie ist eine Schlampe! Ich bekomme immer, was ich will, ich bin ein Siegertyp!«
    Mein Vater sah das anders:
    »Ich sehe das anders«, sagte er knapp und unendlich enttäuscht. Nie wieder habe ich ihn derart auf ein lebendiges Wesen herabblicken sehen, nicht einmal auf eine besonders hässliche Glasscherbe.
    »Das arme Mädchen! Konnte sich gar nicht richtig eingewöhnen«, sagte meine Mutter, nachdem Natascha ins Flugzeug gestiegen war. Dann nahm sie ihre Vorbereitungen für das geplante Freudenfeuer wieder auf, bei dem wir die Tischtennisplatte feierlich den Flammen übergaben.

Konstantinos Monomachos
    Eines Tages entdeckten die Götter des Olymps ihre soziale Ader. Nachdem sie sich über die Jahrhunderte an Nektar und Ambrosia gelabt und sich in ausschweifenden Orgien mit der menschlichen Rasse gepaart hatten, überkam Zeus plötzlich eine Art Altersanstand. Er sprach: »Schickt mir den Knaben, den Adonis in einer schwachen Minute mit einer hysterischen Wüstenrennmaus zeugte, auf dass ich ihm eine Aufgabe gebe, wie nur ein Halbtitan sie zu erfüllen vermag!«
    Der blonde Jüngling wurde gebracht, und der Göttervater merkte an dessen Gebaren und Redefluss schnell, dass die Rennmaus-Gene sich als dominant erwiesen hatten. So verkündete er denn flink und direkt: »Knabe, Göttersohn, Halbmensch, halte eine Minute inne und höre, was ich zu sagen habe. Auf der Erde, im kalten Norden, wohnt eine Seele, der fehlt, was du im Überfluss hast: Motivation. Geh zu ihr und tritt ihr in den Hintern, auf dass sie endlich mal loslege. Wie du das machst, ist uns gleich, aber segle schnell, denn: Hier oben machst du uns alle wahnsinnig!«
    So also trat Vasili in mein Leben. Er spürte mich inmeinem Versteck, einem Call-Center in Berlin-Schöneberg, auf und verlor, wie befohlen, keine Zeit. Er wurde mein bester Freund und lehrte mich im Schnelldurchlauf, was es heißt, einen Griechen zum Freund zu haben.
    Vasili nahm mich auf eine Odyssee nach der anderen mit. Er, aus dem Volke der Reeder, war der Kapitän, ich das Schlachtschiff. Seit ich Vasili kenne, bin ich nie mehr sang- und klanglos, sondern immer nur im ganz großen Stil untergegangen.
    Ich kannte Vasili gerade ein knappes Jahr, als ich schon viermal die Wohnung und die Haarfarbe gewechselt hatte, vermehrt über Auswanderung und plastische Gesichtschirurgie nachdachte und mich am Telefon nur noch mit »Wer da?« meldete (was in einem Call-Center nicht die beste Option ist), als er mir folgenden Vorschlag unterbreitete:
    »Du wolltest doch immer Regie studieren, oder?«
    Mit der Zeit hatte ich gelernt, dass Vasilis Hirn nichts anderes als eine Asservatenkammer für Fangfragen war. Geschickt versuchte ich, auszuweichen: »Och, ja, aber da muss man vorher so viele Praktika gemacht haben, und die bekomme ich nicht, weil man dafür vorher Berufserfahrung braucht   …«
    Noch während ich antwortete, wurde mir klar, dass sich ein Vasili nicht so leicht belügen lässt wie zum Beispiel die eigenen Eltern.
    »Genau das ist der Punkt. Du brauchst mehr Erfahrung. Etwas Praxisorientiertes. Morgen fängst du bei Hellas TV

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