Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht
übersetzen. Dann sprichst du den deutschen Text darüber, für unser deutsches Publikum.«
»Es gibt auch deutsche Zuschauer?«, fragte Vasili interessiert.
»Es gibt Zuschauer?«, fragte ich entgeistert.
»Es gibt fast nur deutsche Zuschauer für die Reiseberichte. Warum sollte ein Grieche sich das anschauen? Ein Grieche fährt entweder dahin, oder er weiß, warum er da weggegangen ist. Ich schaue mir nie an, was hier produziert wird«, antwortete Stereos melancholisch.
Yannis tat, was ein Grieche tut, wenn ein anderer Grieche melancholisch schaut. Er schenkte an alle Whisky aus. Wir waren akzeptiert – für gute Freunde gibt es keinen Ouzo.
Gut gelaunt machten Vasili und ich uns auf den Heimweg. In seiner Wohnung angekommen, legten wir eine der Kassetten in den Rekorder. Die Bildqualität ließ darauf schließen, dass die Kassette den Weg von Griechenland aus allein geschwommen war. Zum Ton konnte ich nichts sagen. Vasili auch nicht. Nach vier Minuten, in denen wir auf dem Bildschirm vorrangig Eselshintern und Kakteen erahnen konnten, wurde klar, dass auch Vasili kein Griechisch mehr verstand. Zumindest nicht, wenn es schnell, verzerrt und mit Akzent gesprochen wurde.
»Tja, das war’s dann wohl«, bemerkte ich grinsend, »der Job scheint eine Nummer zu groß für uns zu sein.«
Vasili schwieg, ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete meist, dass er Kräfte sammelte, um einen Ausweg zu finden. Und ein echter Grieche läuft nicht durchs Labyrinth, ohne vorher einen Faden zu spannen. Wie befürchtet, ging ihm ein Licht auf.
»Das ist eine sehr gute Übung für kreatives Schreiben. Denken wir uns anhand des Bildmaterials doch einfach mal aus, was die Insel Pylos so besonders macht. Hier ist das Diktiergerät, los geht’s!«
Tatsächlich benötigten wir weniger als zwei Stunden und acht Bier, um aus der völlig unbekannten Insel Pylos die Perle des Mittelmeers zu machen. Wir versicherten dem interessierten Publikum, dass die schattigen Arkaden der Altstadt zum Verweilen einluden, die Strände die weißesten und saubersten in ganz Europa seien und das Klima auch während der Sommermonate überraschend angenehm war.
Dann wurden wir mutiger. Die immer wieder auftauchenden Esel wollten schließlich kommentiert sein. Nach längeren Diskussionen einigten wir uns darauf, dass es sich bei diesen Tieren um eine ganz besondere Rasse handelte, die speziell für Beach-Polo gezüchtet und ausgebildet würde, eine der Haupteinnahmen des stolzen Inselvolks. Jeder Griechenlandkenner weiß überdies, dass auf Pylos nirgends einfach Steine aufgetürmt herumliegen, nein, es sind die Ruinen des sagenumwobenen Palastes, welcher der Legende nach von einem einzigen Mann in einer Zeitspanne von über siebenundsechzig Jahren erbaut worden war.
Als das letzte Bier getrunken war, gaben wir auch denNamen des Insel-Urvaters preis: Konstantinos Monomachos.
Während ich albern kichernd langsam einschlief, ließ Vasili unsere Sprachaufnahme nicht etwa in der untersten Schublade verschwinden, sondern warf sie furchtlos in den Briefkasten.
Zwei Tage darauf wurden wir ins Studio bestellt. Yannis gefiel unsere Übersetzung. Zwar verstand er nichts, war aber laut Vasili von meinen Talenten als Synchronsprecherin mehr als überzeugt. Ich klänge genauso einschläfernd, wie es der Sendeschluss von Hellas TV verlange. Stereos pflichtete ihm bei, obwohl er das Werk offensichtlich nicht gesehen hatte.
Beide teilten uns freudestrahlend mit, dass sie unseren Film jeweils am Freitagabend auf Sendung geben wollten, wenigstens bis wir unseren ersten Live-Beitrag geschnitten hätten.
Yannis schenkte Whisky aus, Vasili und ich erbleichten. Die beiden meinten es ernst. Während mein Instinkt mir sagte, die Stadt zu verlassen und meinen Namen zu ändern, gab es für Vasili nur eines: die Flucht nach vorn.
»Worüber könnten wir denn berichten?«, fragte er fast schüchtern unsere Chefs.
Stereos setzte sein düsterstes Gesicht auf und sprach: »Über einen Griechen. Der nach Berlin kommt. Wir sagen euch Bescheid.«
Er kippte den zweiten Whisky hinunter. Wir prosteten ihm zu. Er würde einen gewissen Pegel brauchen, falls aus Versehen ein Grieche aus Berlin am Freitagabend Hellas TV einschaltete, wider Erwarten nicht vonmeiner Stimme eingeschläfert würde und den Sender anschließend wegen Lügen über die Insel Pylos verklagte.
In den nächsten Wochen waren Vasili und ich wahrscheinlich die einzigen Menschen, die jeden Freitagabend zwischen halb und
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