Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt
hätten sich Boy George und John Keats viel zu sagen gehabt – sie waren beide arme Jungs aus London, die sich eine extravagante Mythologie ausdachten, in der es darum ging, die Welt zu verändern, indem man sich selbst verwandelte. Es war eine Sekte, in der man sich zu ständiger persönlicher Neuerfindung be kennen musste. Der Vater aller Romantiker, William Blake, stellte fest: »Die Tiger des Zorns sind klüger als die Pferde der Anweisung.« Und die New Romantics waren auf jeden Fall Tiger des Zorns. Sie hatten auch sichtlich mehr Spaß als die Dichter der Romantik, deren Lieblings freizeitbeschäftigungen sich allem Anschein nach darauf beschränkten, sich eine Tuberkulose einzufangen, mit Blutegelsammlern anzubandeln und den Kopf einer verflossenen Liebe in einen Basilikumtopf zu pflanzen.
The Human League waren die ultimativen New Romantics, zumindest bezogen darauf, wie wir in Amerika sie hörten, und sie kriegten jeden rum. Sie schafften es sogar in die Pop-Charts, im Schlüsseljahr 1982, dem unglaublichen Jahr von Thriller und 1999 und von »Super Freak« und »I Love Rock N’ Roll« und »I’m So Excited« und »Sexual Healing«. Kiss-108, der Disco-Sender, spielte Yaz und Human League; WCBN, der Rock-Sender, spielte Grandmaster Flash und Michael Jackson. The Human League passten perfekt in eine Welt, in der die aufregendste und abenteuerlichste Musik des Planeten genau das zu sein schien, was gerade auf Top 40 Radio einschlug. Trotzdem büßten sie beim Übertreten der Genregrenzen nicht ihre Glaubwürdigkeit als New Romantics ein – ganz im Gegenteil. Ihr Erfolg bestätigte das ganze New-Romantic-Credo sogar noch.
Die New-Romantic-Hymne, mit der ich mich am eingehendsten befasste, war »Love Action«. Darin singt Phil: »This is Phil talking! I want to tell you what I’ve found out to be true!« Ich muss zugeben, dass ich jahrelang ein großer Fan von The Human League war, aber nie wirklich kapiert habe, was Phil Oakey als wahr herausgefunden hatte. Aber ich habe nie aufgehört, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
Ich wäre nur zu gern in die Clubs gegangen, von denen Phil sang, aber ich lebte in Milton, Massachusetts, und sein einziger Fan hier war ich selbst. (Gab es in der Stadt noch andere Human-League-Fans? Woher sollte ich das wissen? Wir waren kein besonders kontaktfreudiger Haufen.)
Es ist eine Sache, zu beschließen, Phil Oakey zu sein, wenn man Phil Oakey ist und man diese abgefahrene Haarsträhne an der Seite hat und all den Eyeliner um die Augen. Aber es ist ziemlich albern, ein New Romantic sein zu wollen, wenn man in einem tristen Vorort gestrandet ist, sich hauptsächlich mit Rasenmähen und Videospielen die Zeit vertreibt, in der Schule gerade Virgil übersetzen muss und überhaupt ein armseliger, kleiner pubertärer Scheißer ist. In einem Secondhandladen in Saugus kaufte ich mir eine Jacke, von der ich hoffte, sie würde an mir so aussehen wie die, die Phil Oakey im »Love Action«-Video trug. Aber zu Hause musste ich dann feststellen, dass es verdammt so aussah wie ein Oberkellner-Jackett aus dem Altkleidercontainer mit Rie senschulterpolstern. Zumindest war der Kragen aus echtem Samt.
Wenn ich diese Jacke zum Asteroids-Spielen in der South Store Plaza trug, fühlte ich mich nicht gerade wie ein glamouröser Mann von Welt. Eher wie ein Vollidiot. Aber Phil hatte mich ja gewarnt, leiden war Teil des Pfads zur Weisheit. Und ich weiß, dass Spott nichts ist, wovor man sich fürchten muss.
Einmal gingen meine Schwestern mit mir einkaufen. Ich kam in einer Hose mit üppigen Bundfalten zurück und sah wirklich übel aus. (Ich mache ein gewisses Scritti-Politti-Video dafür verantwortlich. Was soll ich sagen? Ich hatte es eben mehr mit Modetheorie statt mit der Praxis.) Obwohl ich Bowie und Roxy verehrte, und all die todschicken New Romantics, die in ihrem Fahrwasser trieben, so zahlreich wie ihre nach Champagner schmeckenden Schweißtropfen, und obwohl ich ihren eleganten Kleidungsstil genau studierte, war ich wohl dazu verdammt, mich wie der Mundharmonikaspieler der J. Geils Band anzuziehen. Dies allerdings mit Hingabe, und das war schließlich viel wichtiger als eine gediegene asymmetrische Wedge-Frisur mit der typischen Strähne vorm Gesicht.
Selbst wenn ich eine solche Frisur gewollt hätte, hatte ich keine Ahnung, wo ich sie mir hätte schneiden lassen können. Wie alle, die ich kannte, ging ich zu dem einzigen Frisör weit und breit, zu Singin’ Jack am East Milton
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