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Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt

Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt

Titel: Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Sheffield
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die Kassetten an, die ich für sie aufnahm. Nachdem sie mich von Musik hatte schwärmen hören, nannte sie mich »Dolores Haze«, nach der radiohörenden, comiclesenden Kindfrau aus Lolita , aber diesen Witz verstand ich leider erst Jahre später.
    Wie vermutlich jeder Teenager, der den Großen Gatsby liest, war ich total verknallt in die Lehrerin, die mich an dieses Buch herangeführt hatte. Sie brachte uns Gatsby nahe, wie er in der platonischen Konzeption seiner selbst aufgeht, wie er sehnsüchtig Daisys grünem Licht folgt, trunken von einer unerreichbar gewordenen Vergangenheit. Aber was wusste ich damals schon von Vergangenheit? Ich hatte ja noch keine. Ich konnte nur begierig auf ihre schielen.
    »Daisy und Gatsby verband etwas«, sinnierte sie. »Nicht im sexuellen Sinne. Gatsby hätte ihr nie gerecht werden können.« Ich war nicht sicher, was sie damit meinte, aber ich schrieb mir alles auf, was sie sagte.
    Wenn ich heute bei meinen Eltern auf den Speicher gehe und die alten Schullektüren ausgrabe, dann bin ich völlig verblüfft über all das fieberhafte Gekritzel an den Seitenrändern. Ich glaube, mit dem Erzähler aus Aufzeichnungen aus dem Kellerloch habe ich mich damals wirklich identifiziert. Wenn ich mir diesen kurzen Roman heute betrachte, war der Typ genauso ein Dödel wie ich, also war ich damals entweder leichter zu beeindrucken oder wie hypnotisiert von meiner rasenden Liebe zu Miss Calasta. Ich versuchte, mehr Details über ihre Vergangenheit in Erfahrung zu bringen, aber stattdessen gab sie mir nur noch mehr Empfehlungen für Bücher, die ich auch prompt allesamt verschlang: John Miltons Trauerspiel Samson Agonistes , Aldous Huxleys Nach vielen Sommern und Hemingways Paris – Ein Fest fürs Leben .
    Es war auch die Phase meines Lebens, in der ich eine obskure Heiligenverehrung pflegte. In gewisser Weise bereitete mich diese naive katholische Frömmigkeit auf mein Erwachsenenleben in der Plattensammler/-aufnehmer/-kritikerwelt vor, denn auch dort geht es darum, Reliquien zu sammeln, sich in einen leidenschaftlichen Heiligenkult hineinzusteigern und nach Spuren des Göttlichen in den banalsten Dingen zu suchen. Es ist sicher kein Zufall, dass so viele Plattenfreaks katholisch erzogen worden sind, denn diese Glaubensrichtung bereitet einen geradezu auf einen solchen Weg vor. Einen Rosenkranz zu beten dauert etwa zwanzig Minuten, genauso lang wie eine Plattenseite. Und man betrachtet beim Rosenkranzbeten fünf Geheimnisse, genauso wie es (meistens) fünf Songs pro Albumseite gibt.
    Als ich Roxy Music für mich entdeckte, war es, als hätte ich schon mein ganzes Leben darauf gewartet. Bryan Ferry trieb die romantische Obsession sogar noch weiter als Kenny Rogers. Wo Kenny Rogers mich lediglich dazu anhielt, die Welt hinwegzulieben, bestand Bryan Ferry darauf, dass die Welt für einen New-Wave-Jünger allein schon durch die Intensität seiner Hingabe ausgelöscht würde. Bryan Ferry trug einen Smoking und verströmte ironisch-romantische Verzweiflung. Er hatte eigentlich überhaupt keine Stimme, aber seine Texte waren voll von kunstvoll stilisierten Emotionen. Man konnte hören, wie oft er jedes Zittern in seiner Stimme geübt hatte, aber irgendwie machte ihn das nur noch glaubhafter. »More than this«, hauchte er, »there’s nothing.«
    Dieser Song war mehr als eine Hymne – er war eine Religion für sich selbst. Kein Wunder, dass das Video in einer Kirche spielte, wo Ferry unter einem Kreuz stand, das nur da war, um Licht auf ihn zu werfen. Und genauso wie Gatsby trieb er die romantische Obsession so weit, dass er in der platonischen Konzeption seiner selbst aufging. Im Video schaut er sich die ganze Zeit selbst auf einem Bildschirm zu – ein linkischer, unbeholfener Mann, der wie eine sexy Discolady tanzt. Er wusste natürlich, wie ulkig er dabei aussah, aber das ganze rührselige Theater lenkte nicht von seiner Aufrichtigkeit ab – im Gegenteil, es war seine Aufrichtigkeit. Er war ein selbstironischer Casanova in der Abgeschiedenheit seiner eigenen Gedankenwelt, und jeder seiner Songs war eine Einladung zu der rauschenden Party, die in seinem Spiegel stattfand – je mehr, desto Bryan Ferrier.
    Ich liebte diesen Song von dem Moment an, als ich ihn hörte, und doch habe ich bis heute keine Vorstellung davon, wer das Mädchen ist, zu dem er singt, und wie sie ist. Ich nehme an, dieser Song handelt von einem so vollkommenen Verlangen, dass es nicht einmal ein wirkliches Mädchen dazu

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