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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Nähe – Palo Alto“, sagte er und drückte auf die Tube. Wir rasten durch die Wüste. „Wir sind bald an der kalifornischen Grenze. Hoffentlich kommen wir gut durch, hab nämlich Gras im Kofferraum.“
    Ich wusste nicht, was er meinte. Vielleicht hatte er Kaninchen zu Hause? Warum sollte es an der Grenze wegen Gras Schwierigkeiten geben? Kalifornien hatte damals strikte Grenzkontrollen. Erstens wollte man armen Leuten, die in den Genuss des kalifornischen Wohlfahrtssystems kommen wollten, die Einreise verwehren. Zweitens hatte man Angst, dass fremde Schädlinge eingeschleppt würden, die die Obst- und Zitrusplantagen gefährden könnten. Daher wurden mitgeführtes Obst und Gemüse bei der Einreise beschlagnahmt.
    „Geschafft!“, sagte der Fahrer erleichtert, als wir nach einer oberflächlichen Kontrolle weiterdüsten. Gegen Abend waren wir in Palo Alto. Wir hielten vor einer großen alten, im viktorianischen Stil erbauten Villa. Auf dem Rasen parkten mehrere Harleys. Als der Fahrer ausstieg, wurde er von einer Meute langhaariger Jugendlicher, viele von ihnen in Bikerkluft, freudig und locker begrüßt. Solche Typen sah man in Ohio, im biederen Mittelwesten, kaum. Es stellte sich heraus, dass es keine wirklichen Rocker waren, sondern allesamt Studenten an der Eliteuniversität Stanford in Palo Alto.
    „Eh, man, willst du was rauchen?“, fragte mich der Fahrer, als wir ins Haus gingen.
    „Ja, danke“, antwortete ich und war froh, denn ich hatte keine Zigaretten mehr. Zu meiner Verblüffung gab er mir aber keine Zigarette, sondern setzte sich auf den Fußboden. Die anderen taten es ihm gleich und formten, im Schneidersitz sitzend, einen Kreis. Warum sitzen die nicht auf Stühlen?, dachte ich und setzte mich zu ihnen.
    Der Fahrer zog trockenes grünes Kraut aus dem Beutel, den er aus dem Kofferraum geholt hatte. „Gras“, sagte er. In mir schrillten die Alarmglocken! Nun verstand ich: Das war Marihuana. Versehentlich war ich in eine Rauschgifthölle gestolpert. Das Teufelskraut, das killerweed , das Menschen in mordende, sexpervertierte Monster verwandelt! Und wer es nur einmal probiert, der hängt am Haken, an Satans Angel, wie ein Fisch; der wird lebenslänglich süchtig.
    Erstarrt saß ich da und schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel: Help me, Jesus !
    „Eh, man, hast du etwa noch nie geraucht?“, fragte der Biker, der neben mir saß. Was sollte man da antworten? Wer wusste, wie diese kriminellen Typen reagieren würden, wenn ich zugäbe, dass ich nichts damit zu tun haben wollte und am liebsten zur Polizei gegabgen wäre, um Anzeige zu erstatten?
    „Äh ... doch“, sagte ich kleinlaut und schämte mich zugleich für meine Feigheit. Und dann kam der Glimmstängel, der Joint, immer näher. Mein Herz pochte. Schließlich war er bei mir angekommen. Ich blieb cool, nahm einen leichten Zug und stieß den Rauch so schnell wie möglich wieder aus.
    „Ha, ha“, lachte mein Nachbar, „du hast noch nie geraucht! Du musst den Rauch so lange wie möglich in den Lungen behalten!“
    Noch einmal machte der Joint die Runde. Der Letzte, der daran sog, verschluckte dann die winzige ausgebrannte Kippe. Er hatte sozusagen den „schwarzen Peter“ gezogen. Roach, „Kakerlake“, nannten sie diesen Rest. Tatsächlich glich die fingernagelgroße, flache, vom Teer braun gefärbte Kippe einer Küchenschabe. Was ich damals noch nicht wusste, war, dass ich unfreiwillig an einem psychedelischen Kreisritual teilgenommen hatte. Das Schlucken der Kakerlake markiert den Abschluss des Rituals.
    Nun löste sich der Kreis auf. Einige Teilnehmer gingen fort, andere krochen in ihre Schlafsäcke, die auf dem Fußboden ausgerollt waren, und gaben sich Träumereien hin. Wieder andere holten sich etwas zu essen oder redeten; einer ergriff seine Gitarre. Ich war heilfroh, dass ich nichts spürte, dass ich nicht völlig besoffen und außer Kontrolle herumtorkelte, wie ich befürchtet hatte.
    „Na, bist du high ?“, fragte der mit der Gitarre und fing an zu spielen.
    „Nein, überhaupt nicht“, antwortete ich. „Aber, fantastisch, wie gut du spielst!“
    „Du bist voll drauf“, schmunzelte er. „Ich spiele nämlich noch gar nicht, sondern stimme nur die Saiten!“
    Ich rollte nun auch meinen Schlafsack aus und verkroch mich darin. Es schien niemanden zu stören. Überhaupt schien jeder zu machen, was er wollte. Ich nahm mir vor, meinen inneren Wecker zu stellen und noch vor Sonnenaufgang, ehe die anderen aufwachen würden, der

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