Mit Schimpf und Schande
hochgeborenen, reichen Schlägern, aber sie hatten unbestreitbar Geschmack daran gefunden, ihre Macht zu benutzen. Pavel Young war erheblich weniger intelligent, als sein Vater gewesen war – und, so schwer man es glauben konnte, wesentlich arroganter. Und ehrgeizig. Mit dem Mut, der aus dem Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit sich nur dem Unwissenden erschließt, hatte er sich in das Spiel der Intrigen und Winkelzüge gestürzt; ungehindert von allen lästigen Prinzipien, hatten ihm seine Gosseninstinkte bislang gute Dienste geleistet. Er hatte politische Taktiker, die über weitaus mehr Scharfsinn und Erfahrung verfügten als er, damit erstaunt, wie geschickt er sich als Stimme der Vernunft im Oberhaus plaziert hatte, als jemand, der entschlossen war, um des Königreichs in einer Zeit der internationalen Krise willen zu übersehen, daß die Regierung der Navy gestattet hatte, ihn zu verunglimpfen. Cromarty hegte nicht den leisesten Zweifel, daß Youngs Ehrgeiz immer weiter ausufern und ihn schließlich vernichten würde, aber bislang hatte der Kerl seine Rolle perfekt gespielt – und das konnte den Schlamassel nur verschlimmern.
Der Herzog setzte sich gerade. Der nächste logische Schritt für North Hollow wäre eine Klage wegen Verleumdung, denn das Gesetz verbot Duelle zwischen den Parteien eines laufenden Rechtsstreits. Aber was, wenn er nicht klagen konnte ? Was, wenn Harrington recht hatte? Was, wenn er Denver wirklich bezahlt hatte – und Harrington über Beweise verfügte?
Cromarty krauste die Stirn und rieb langsam die Handflächen gegeneinander. Wenn das der Fall war – und dem Earl war eine derartige Niederträchtigkeit ohne den geringsten Zweifel zuzutrauen –, dann würde er nicht wagen, das Gericht anzurufen. Denn Harrington brauchte nur ihr Beweisstück vorzulegen, um die Verleumdungsklage abzuweisen, und North Hollow konnte jeder möglichen politischen Karriere auf ewig Gute Nacht sagen. Aber wenn er nicht klagte, was würde er dann tun? Harringtons Drohung konnte niemand auf die leichte Schulter nehmen, denn die brutale, erstaunliche Effizienz, mit der sie Denver getötet hatte, war der furchteinflößende Beweis, daß sie sie wahrmachen würde. Daß sie sie wahrmachen würde, sobald sie nahe genug an North Hollow herankam, um ihn zu fordern.
War es möglich, daß der Earl die Forderung ablehnte? Cromarty knetete sich die Lippe und versuchte, das Unwägbare vorauszusehen. North Hollow war ein Feigling, aber würde er so weit gehen, daß er die Forderung Harringtons ablehnte? Dem ganzen Königreich die eigene Feigheit auf diese Weise unter Beweis zu stellen wäre genauso tödlich für seine Politikerlaufbahn, wie des Mordes überführt zu werden. Aber er mochte annehmen, daß er, wenn er sich ihr stellte und die Begegnung überlebte, auch den Skandal überstehen konnte. Ohne Zweifel würden die oppositionsnahen Nachrichtenservices ihn dabei unterstützen, die Sache vergessen zu machen; das mußten sie, denn wenn der Skandal North Hollow vernichtete, würde er sie wegen ihrer vorherigen Unterstützung mit in den Untergang reißen.
Aber North Hollow würde das Duell nicht überleben. Wenn man gesehen hatte, wie Harrington Denver niedergeschossen hatte, mußte allein der Gedanke lächerlich erscheinen. Es war geradezu grauenhaft gewesen, kein Duell, sondern eine Hinrichtung. Ohne es je zu bemerken, war Denver hoffnungslos deklassiert gewesen; Harrington hatte ihn nicht so oft getroffen, weil sie mußte, sondern weil sie wollte.
Und wenn sie je Pavel Young vor sich auf den Duellplatz brachte, dann würde sie mit ihm genauso … verfahren. Der Herzog von Cromarty konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal körperlich vor jemandem gefürchtet hatte, aber Honor Harrington machte ihm angst. Er bezweifelte, daß irgend jemand, der die Aufzeichnung gesehen hatte, jemals ihre Miene vergessen würde – genauer gesagt, das Fehlen jeder Miene –, als sie Denver niederschoß, und wenn ein Offizier der Königin einen Peer des Reiches auf diese Weise tötete …
Der Herzog schüttelte sich bei dem Gedanken, dann atmete er tief durch und wandte sich dem Com zu. Nur eine Person konnte das Desaster nun noch verhindern, und mit eiligen Fingern gab er ihren Rufcode in das Terminal und wartete, daß der Empfangschef antwortete.
»Mount Royal Palace. Wie kann ich … – Oh, guten Tag, Euer Gnaden.«
»Guten Tag, Kevin. Ich muß mit Ihrer Majestät sprechen.«
»Einen Augenblick, Euer
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