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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Freundin sowohl auf der Karriereleiter als auch in der gesellschaftlichen Rangordnung überholt hatte, und war sich nicht sicher, ob ihr dies überhaupt gefiel. Andererseits war nun wirklich der falsche Zeitpunkt, darüber zu reflektieren. Die Ehrenwache nahm zackig Haltung an. Der kommandierende Major, der einen riesigen Schnurrbart hatte, trug die scharlachroten Uniformaufschläge des Queen’s Own Regiment, des Gardeinfanterieregiments, und an der Schulter den Blitz des Copper-Walls-Bataillons, der Formation, die von Honors Heimatwelt stammte. Bei seinem tadellosen Salut focht in seinem Gesicht der Stolz über die einer Mitsphinxianerin widerfahrenden Ehre mit der Ausdruckslosigkeit, die ihm die Disziplin abverlangte.
    Honor und Henke erwiderten den Gruß, und der Major legte mit einer Präzision, die einer Parade gut angestanden hätte, die Hand an die Hosennaht.
    »Lady Harrington. Commander Henke. Ich bin Major Dupre, Ihre Begleitung.« Sein abgehackter, sphinxianischer Dialekt war für Honor wie ein Gruß aus der Heimat. Dupre trat zur Seite und wies auf den Ausgang des Landeplatzes.
    »Vielen Dank, Major«, antwortete Honor und setzte sich, mit Henke im Schlepptau, in die zugewiesene Richtung in Bewegung, und in ihrem Bauch tanzten die Schmetterlinge.
     
    Der Weg war länger, als Honor erwartet hatte, und mit einem Mal stellte sie fest, daß sie nicht der Route folgten, die sie von ihren früheren Besuchen im Palast kannte. Sie näherten sich nicht einmal dem furchtbar zusammengewürfelt erscheinenden Gebäude des Königlichen Gerichtshofes. Darüber war Honor einerseits erfreut – der Architekt, der den Gerichtshof ein T-Jahrhundert zuvor geplant hatte, hing offenbar in pathologischer Weise der ›funktionalen‹ Schule an, und sein Bauwerk hob sich in schrecklicher Weise von den älteren, grazileren Teilen des Palastes ab. Die unerwartete Route ließ jedoch die Flügel der Schmetterlinge schneller schlagen.
    Bei allen vorherigen Besuchen hatte die Königin sie im Blauen Saal empfangen, dem traditionellen Thronsaal von der Größe eines Fußballplatzes und mit einer hoch geschwungenen Decke, die garantiert jeden Besucher einschüchterte. Der Gedanke jedoch, ihrer Herrscherin in engerer und weniger formeller Umgebung gegenüberzutreten, machte ihr seltsamerweise angst.
    Sie schalt sich innerlich. Sie besaß kein Recht, anzunehmen, daß etwas Derartiges ihr bevorstand. Das war anmaßend, wenn nicht schlimmer, und …
    Major Dupre schwenkte plötzlich in Richtung des ältesten Palastflügels, und Honor räusperte sich.
    »Entschuldigen Sie, Major Dupre, aber wohin genau gehen wir eigentlich?«
    »King Michael’s Tower, Mylady.« Dupre gab sich erstaunt, als hätte Honor doch wissen müssen, wo sie sich befand. Aber Honor hörte hinter sich Henke tief Luft holen. Sie blickte über die Schulter zurück, aber Mike hatte sich bereits von ihrer Überraschung erholt – wenn es Überraschung gewesen war – und erwiderte Honors Blick mit der braunäugigen Unschuld, die auch ihr Cousin Paul nicht hätte übertreffen können.
    Honor schenkte dem ungerührten Gesicht ihres I.O.s einen wütenden Blick und wandte sich dem quadratischen Finger aus einheimischem Stein zu, der vor ihr aufragte. Nach den Standards einer Kontragrav-Zivilisation war der Turm nicht sonderlich beeindruckend, und doch erhob er sich mit einer gewissen imposanten Grazie. Honor bemerkte, daß eine Erinnerung vergeblich versuchte, sich Gehör zu verschaffen. Grübelnd versuchte sie herauszufinden, welcher Gedanke sich ihr da aufdrängte. Etwas, das sie irgendwann gelesen hatte?
    Schon kurz nach der Gründung des Königreichs waren die Medien mit der Krone eine Art Gentlemen’s Agreement eingegangen. Zum Ausgleich für öffentliche Zugänglichkeit und Zurückhaltung im Sichberufen auf das Gesetz über Offizielle Geheimnisse und das Kriegsnotstandsgesetz seitens der Krone war das Privatleben der königlichen Familie tabu für die Presse, aber trotzdem hatte da etwas in der Landing Times gestanden …
    Und dann fiel es Honor wieder ein. King Michael’s Tower war Königin Elisabeths private Zuflucht und nur ihren engsten politischen Verbündeten und Vertrauten zugänglich.
    Beinahe hätte Honor den Kopf wieder zu Henke herumgerissen, aber es war bereits zu spät: Sie blieben vor dem Turmeingang stehen. Die bewaffneten Posten nahmen Haltung an, die Doppelflügeltür öffnete sich, und Honor schluckte ihre Fragen hinunter und folgte Dupre

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