Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
gegenüberstand.
Ich bin ein gewandter, in der Tat sogar professioneller Lügner und hatte keine Schwierigkeiten, sie zu überzeugen, daß ich mich auf der Flucht befand und mich vor meinen Verfolgern im ›Innen‹-Alkoven verborgen hatte, was auch erklärte, wieso ich so unerwartet zwischen ihnen aufgetaucht war. Daß Shakespeare so geistesgegenwärtig gewesen war, sein eigenes Stück von meiner Unterbrechung zu retten, war kein Wunder; daß der junge Schauspieler seinem Beispiel gefolgt war, brachte ihm die Gratulationen seiner Kollegen ein; daß ich angemessene Zeilen gesprochen hatte, verblüffte sie alle. Ich erklärte, ich sei früher einmal als Schauspieler aufgetreten, und murmelte als Antwort auf verwirrte Fragen über meinen seltsamen Aufzug etwas davon, erst kürzlich eine Zeit unter den handeltreibenden Polacken verbracht zu haben, was wohl geheimnisvoll genug war und bei dem Stückeschreiber ein geschmeicheltes Lächeln hervorrief.
Was die Gründe betraf, aus denen ich verfolgt wurde, mußte ich meinen neuen Freunden nur versichern, daß meine Probleme einer Liebesnatur waren, um ihr volles Mitgefühl zu bekommen. Sie konnten es sich nicht öffentlich erlauben, einen Flüchtigen vor der Gerechtigkeit zu verbergen, obwohl die Schauspieler dieser Zeit, wie die der meisten Epochen, zur dunklen Seite des Gesetzes neigten, und hätten mir gern geholfen, insofern sie dies nicht in direkte Gefahr brachte. Da ich gerade erst von meinen Auslandsreisen heimgekehrt war, keine Beschäftigung hatte und schauspielern konnte, boten sie mir einen Platz in der Gruppe an, den ich gern akzeptierte.
Ich brauchte ihren Lohn nicht, da ich eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen hatte und eine Weste trug, in deren Futter ich Juwelen eingenäht hatte, das universelle Zahlungsmittel. Doch diese Bühne bot einen idealen locus für mich, durch den ich mir die Kontakte verschaffen konnte, die mir seitdem wieder meine alte Position als ›Napoleon des Verbrechens‹ eingebracht haben, ein lächerlicher Titel in einer Zeit, in der Napoleon erst über ein Jahrhundert später geboren werden wird.
Und was meine Zeilen betraf, die Teil des Textes wurden, so fügte Will persönlich sie ein, wie wir drei sie an jenem Tag gesprochen hatten. Er hatte die Rolle des Ersten Mörders an diesem Tag aus reinem Glück gespielt, da der ursprüngliche Schauspieler krank geworden war, und fand die Idee höchst amüsant, einen unerklärten Charakter hinzuzufügen, der dem Publikum ein Rätsel aufgab. Er dachte nicht an das zukünftige Publikum und zukünftige Leser, gewiß nicht an die Gelehrten späterer Epochen, sondern wollte lediglich diejenigen unterhalten, für die er schrieb: die Gönner des Globe, die Dominikaner und die Herrschaften am Hofe.
Ich bin jetzt ein alter Mann, und angesichts der Bürgerunruhen, die dieses Land bald befallen werden, werde ich vielleicht nicht mehr viel älter werden. Doch ich bin guter Hoffnung, da ich weiß, daß das Ergebnis hilfreich ist, und ich habe sorgsam die richtigen Männer gefördert. Die Stutzköpfe, kann ich behaupten, haben genauso viele Laster wie die Kavaliere, doch sie frönen ihnen geheimer und mit einem festeren Griff um ihre Börsen.
Doch ich werde es jetzt bei dieser teilweisen Aufzeichnung belassen und nicht warten, bis ich die Möglichkeit habe, eine vollständigere zu verfassen. Wenn Sie, die Sie sie lesen, dies während der letzten acht Jahre des neunzehnten Jahrhunderts tun oder vielleicht auch ein paar Jahre darauf, möchte ich Sie bitten, mir den großen Gefallen zu erweisen und sie Mr. Sherlock Holmes in der 221B Baker Street, London, zu bringen oder schicken.
In der Hoffnung, daß er dies lesen wird, sende ich ihm also meine Grüße und die folgende schwierige Frage:
Als die Zeilen des Dritten Mörders zum ersten Mal überhaupt gesprochen wurden, wurden sie aus der Erinnerung gesprochen.
Überlegen Sie doch, Mr. Holmes, wer hat sie verfaßt?
Moriarty
London
31. Dezember 1640«
Jetzt wollen wir Sie mit einer Mini-Kurzgeschichte wieder zu Atem kommen lassen. Ich nehme an, Sie werden die richtige Version der Redewendung erkennen, mit der diese Mini-Story endet. Nebenbei bemerkt – Holmes sagt niemals, an keiner Stelle des Gesamtwerks: »Schnell, Watson, die Nadel.«
S. N. F ARBER
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