Mit verdeckten Karten
wäre er tatsächlich genau der, den wir brauchen. Vielleicht sollten wir diesen blödsinnigen Wettkampf beenden? Mir scheint, daß auch so inzwischen alles offensichtlich ist. Was meinst du?«
»Das müssen Sie wissen, Vitalij Nikolajewitsch«, erwiderte Gena zurückhaltend. »Aber ich würde mich damit nicht beeilen. Irgendwie ist das alles sehr ungewöhnlich, sieht nach einem Psychopathen aus.«
»Ein Psychopath ist nicht fähig, systematisch zu handeln«, entgegnete Kabanow. »Er wird sich wahrscheinlich nicht die Haare raufen, weil er Menschen umbringt, aber er kann nicht planmäßig morden, genau einmal pro Woche.«
»Sagen Sie das nicht! Ein Verrückter ist zu allem fähig. An Ihrer Stelle würde ich noch warten.«
»Und wie lange soll ich nach deiner Meinung noch warten?«
»Wenigstens noch einen Monat.«
»Einen Monat? Willst du damit sagen, daß dir vier Leichen nicht genug sind? Du willst acht haben? Irgendwie scheinst du blutrünstig geworden zu sein, Genadij«, sagte Kabanow stirnrunzelnd.
»Aber wir dürfen kein Risiko eingehen«, erwiderte Gena beharrlich. »Wir müssen sicher sein, daß der Schütze keine Fehler macht und die Nerven nicht verliert. Außerdem müssen wir Gewißheit haben, daß die Mordfälle nicht aufgeklärt werden und die Spuren nicht zu uns führen. Erst dann werden wir wissen, daß wir uns auf ihn verlassen können.«
»Vielleicht hast du recht. Warten wir noch ein bißchen. Wie viele Gäste erwarten wir heute abend?«
»Sie selbst haben achtzehn Personen eingeladen«, sagte Gena, nachdem er einen kleinen Notizblock aus der Tasche geholt und ihn schnell durchgeblättert hatte. »Und noch weitere sieben haben den Wunsch geäußert, Ihnen zu gratulieren, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Insgesamt also fünfundzwanzig. Und jeder von ihnen wird mindestens fünf Personen als Begleiter und Leibwächter mitbringen. Hast du darüber nachgedacht, in welchem Raum die Feier stattfinden soll?«
»Ich schlage vor, im Festsaal zwei Tische zu decken. Einen für Sie und Ihre Gäste, den anderen für die Leibwächter. Jeder Gast wird mit einem Leibwächter erscheinen, der auch für andere persönliche Belange zuständig ist. Der angrenzende Raum kann ganz den restlichen Begleitern überlassen werden. Ich habe bereits mit dem Empfangschef gesprochen, er hat gebeten, ihm bis drei Uhr mitzuteilen, ob dieser Raum für Gäste reserviert werden soll.«
»Wie viele Personen passen in diesen Raum?«
»Es ist genug Platz für die hundert, die kommen werden. Dort stehen dreißig Tische, jeder für vier Personen.«
»Gut, Gena, ich verlasse mich auf dich. Es darf zu keinerlei Exzessen kommen, das ist dir ja hoffentlich klar.«
»Natürlich, Vitalij Nikolajewitsch.«
»Und noch etwas, Gena . . .«
Kabanow löste sich endlich vom Fenster, seufzte tief und setzte sich an den Tisch. Die Bewegungen seines schon seit langem übergewichtigen Körpers waren schwerfällig und plump geworden, aber der Blick der hellen, aufmerksamen Augen war nach wie vor offen und durchdringend. Kabanow verbarg niemals sein Mißtrauen gegenüber anderen, er hielt es für besser, sich angenehm überraschen zu lassen, als betrogen zu werden.
»Ich möchte, daß du an unsere Beziehungen zur Gebietsverwaltung des Innenministeriums anknüpfst. Ich möchte alles über die Ermordeten wissen. Denn das alles könnte sich auch als Zufall erweisen. Ich möchte sicher sein, daß die Schüsse tatsächlich alle aus einer Pistole abgegeben wurden und nicht etwa aus verschiedenen. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Vitalij Nikolajewitsch.«
»Du kannst gehen, Gena. Und sag Ella, daß sie mir bis vier Uhr keine Anrufer durchstellen soll. Ich muß nachdenken.«
2
Dmitrij Platonow betrat das Büro seines Chefs ohne jede unangenehme Vorahnung. Vielleicht deshalb, weil seine Gedanken mit Jurij Jefimowitsch Tarassow beschäftigt waren, weil er heute morgen innerlich Abschied von ihm nahm. Er hatte sich nicht entschließen können, zur Beerdigung zu gehen, da er wußte, daß viele operative Mitarbeiter dem Toten das letzte Geleit geben würden. Er wollte nicht, daß seine Beziehung zu Tarassow publik würde, obwohl er sie eher aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit geheimhielt. Solange Jurij Jefimowitsch noch am Leben war, sollte niemand von seiner engen Zusammenarbeit mit ihm wissen, jetzt, nach seinem Tod, war dieses Geheimnis für niemanden mehr von Interesse.
Platonow war in düsterer Stimmung und hätte seinen Chef, der ihn zu sich
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