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Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Titel: Mit Worten kann ich fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Draper
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wenn er das sah. Aber Mom kam nicht. Also bellte Toffee – erst ein paar zögerliche Kläffer, dann lauter und dringlicher. Schließlich sprang sie hoch und warf ihren gesamten Körper mit einem lauten Rums gegen die Tür. Sie bellte, dann rumste sie. Bellen, dann rums. Mom konnte diesen Krach gar nicht überhören.
    Ich bin sicher, es dauerte nur ein paar Minuten, aber es kam mir länger vor. Mom stand in der Tür und sah groggy aus. Ihr Haar war ganz zerzaust. »Was ist hier los?«, begann sie. Dann sah sie mich. »Oh! Melody, mein Schatz! Ist alles in Ordnung mit dir?« Sie rannte zu mir, setzte sich auf den Boden und hob mich auf ihren Schoß.
    Sie untersuchte alles – meine Arme und Beine, meinen Rücken, mein Gesicht, meine Kopfhaut, sogar meine Zunge. Ich hätte ihr gerne gesagt, dass es mir gut geht. Alles, was sie hätte tun müssen, war, mich zurück in meinen Rollstuhl zu setzen, aber sie musste diese Mom-Show abziehen und alles zweimal überprüfen.
    »Toffee, du bist ein braves, braves Mädchen!«, sagte sie, während sie den Hund tätschelte und mich fest an sich drückte. »Heute Abend bekommst du eine doppelte Portion Hundefutter!«
    Ich bin mir sicher, dass Toffee lieber einen schönen fetten Knochen gehabt hätte, doch auch sie kann nicht reden, also bekommen mein Hund und ich, was man uns gibt. Mom setzte mich vorsichtig zurück in meinen Rollstuhl und vergewisserte sich, dass der Sicherheitsgurt richtig geschlossen war. Toffee rollte sich direkt vor mir zusammen, wahrscheinlich wollte sie sicherstellen, dass sie meinen Sturz abfangen könnte, sollte ich wieder aus dem Rollstuhl rutschen. Dieser Hund ist erstaunlich.
    Mom startete das Video neu, aber irgendwie hatte diese gelbe Backsteinstraße etwas von ihrem magischen Glanz verloren. In echt bekommt niemand seine Wünsche vom Zauberer von Oz erfüllt.
    Als ich weiterguckte, fragte ich mich, um was ich den Zauberer bitten würde, sollte
ich
mit
meinem
Hund nach Oz geweht werden.
    Hmmmm. Verstand? Davon habe ich eine Menge.
    Courage? Toffee hat vor nichts Angst!
    Ein Herz? Wir haben viel Herz, mein Welpe und ich.
    Um was würde ich also bitten? Ich würde gerne wie der feige Löwe singen und wie der Zinnmann tanzen können. Keiner von beiden war besonders gut darin, aber für mich wäre das gut genug.

Kapitel 9
    Als ich acht war, änderten sich die Dinge.
    Ich glaube, ich wusste noch vor Mom, dass sie ein Baby bekommen würde. Sie roch anders, wie neue Seife. Ihre Haut fühlte sich weicher und wärmer an.
    Eines Morgens hob sie mich aus dem Bett und ließ mich dann fast wieder zurück auf die Matratze fallen. »Puh!«, sagte sie. »Du wirst schrecklich schwer, Melody. Ich werde mit Gewichtheben anfangen müssen, um mehr Muskeln zu kriegen!« Auf ihrer Stirn stand Schweiß.
    Ich glaube nicht, dass ich an Gewicht zugenommen hatte. Mom war diejenige, die anders war. Sie ließ sich kurz auf den Stuhl neben meinem Bett nieder und rannte dann plötzlich aus dem Zimmer. Ich hörte, wie sie sich im Badezimmer übergab. Kurz darauf kam sie zurück und sah blass aus. Ihr Atem roch nach Mundwasser. »Ich muss was Verdorbenes gegessen haben«, murmelte sie, als sie mich anzog. Aber ich glaube, da ahnte sie es schon. Ich wette, sie hatte Angst.
    Als Mom es schließlich herausfand, setzte sie sich mit mir hin, um mir die Neuigkeiten beizubringen. »Melody, ich habe wundervolle Neuigkeiten!«
    Ich gab mir Mühe, neugierig auszusehen.
    »Du wirst schon bald einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen.«
    Ich grinste und versuchte, möglichst überzeugend Überraschung und Aufregung vorzuspielen. Ich umarmte sie, dann tätschelte ich ihren Bauch und deutete auf mich selbst. Sie wusste, was ich meinte.
    Sie sah mir direkt in die Augen. »Wir werden beten, dass dieses Kleine rund und hübsch und gesund ist«, sagte sie zu mir. »Du weißt, wir lieben dich, Melody – so wie du bist. Aber wir hoffen, dass dieses Kind sich nicht denselben Herausforderungen stellen muss wie du.«
    Ich auch.
    Von da an übertrug sie Dad die Aufgabe, mich hochzuheben. Und obwohl sie nie wieder in meiner Anwesenheit darüber sprach, wusste ich, dass sie sich Sorgen machte. Sie schluckte riesige grüne Vitaminpillen, aß eine Menge frische Orangen und Äpfel und hatte die Angewohnheit, ihre Hände auf ihren sich wölbenden Bauch zu legen und ein Gebet zu murmeln. Ich merkte, dass auch Dad sich Sorgen machte, aber seine Angst zeigte sich auf merkwürdige Art und Weise.

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