Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
mir!«
»Wenn du mehr mithelfen würdest, hätte ich mehr Zeit für dich! Mit zwei Kindern, und eines davon Melody, ist es nicht einfach!«
»Wie du weißt, muss ich zur Arbeit gehen!«
»Ich habe auch einen Job! Reib mir das nicht unter die Nase. Außerdem stehe ich zweimal nachts auf, um das Baby zu stillen!«
»Ich weiß. Ich weiß. Es tut mir leid, Diane.« Dad gab immer nach und ließ Mom gewinnen.
»Ich bin einfach ständig so müde«, sagte Mom mit erstickter Stimme.
»Es tut mir leid. Ich werde mir mehr Mühe geben. Ich verspreche es. Morgen nehme ich einen Tag frei und kümmere mich um beide Mädchen. Warum gehst du nicht ins Kino oder mit Mrs Valencia zum Mittagessen?«
Es wurde wieder still, aber selbst dann fühlte ich mich am Ende irgendwie immer ein bisschen schuldig. Das Leben wäre bestimmt einfacher, wenn sie nur ein Kind hätten – eins mit funktionierenden Teilen.
Einmal bekam ich eine dieser elektronischen Puppen zu Weihnachten. Sie sollte sprechen und weinen und ihre Arme und Beine bewegen, wenn man die richtigen Knöpfe drückte. Aber als wir die Schachtel öffneten, hatte sich einer der Arme gelöst, und das Einzige, was die Puppe tat, egal, welchen Knopf man drückte, war zu quietschen. Mom brachte sie wieder in den Laden und bekam ihr Geld zurück.
Ich fragte mich, ob sie sich je wünschte, eine Rückerstattung für mich bekommen zu können.
Aber Penny! Penny war wirklich ein perfektes Baby. Nach nur ein paar Monaten schlief sie die Nächte durch und lächelte den ganzen Tag über. Sie setzte sich genau zu dem Zeitpunkt auf, an dem man das von Säuglingen erwartet, drehte sich das erste Mal genau nach Zeitplan um und krabbelte wie aufs Stichwort. Genial. Und es schien so einfach! Natürlich fiel sie ein paarmal aufs Gesicht, aber nachdem sie es einmal kapiert hatte, war sie nicht mehr zu bremsen.
Penny düste wie ein kleines Aufziehmännchen umher. Sie stellte fest, dass es Spaß machte, in der Toilette zu plantschen, und dass Lampen runterfallen, wenn man am Kabel zieht. Sie lernte, dass Golden Retriever keine Ponys sind, Erbsen merkwürdig schmecken, tote Fliegen auf dem Boden pfui, aber Bonbons richtig lecker sind. Sie lachte die ganze Zeit. Sie lernte, dass ihre Schwester Melody nicht das konnte, was sie konnte, aber es schien ihr egal zu sein. Also gab ich mir Mühe, damit es mir auch egal war.
Dad und sein Camcorder folgten Penny, wie die Paparazzi einem Rockstar folgen! Wir haben Hunderte von Stunden Filmmaterial von Penny, wie sie niedlich ist und hinreißende Dinge tut. Und, na ja, ich gebe zu, manchmal hing es mir zum Hals raus, jedes Mal ein neues Video anzuschauen, wenn sie etwas Neues lernte. Es ist ziemlich beschissen, einem Baby zuzugucken, wie es etwas tut, was man selbst gerne tun würde.
Penny, wie sie ihre eigene Flasche hält.
Penny, wie sie sich selbst winzig kleine Cheerios von ihrem Hochstuhltablett in den Mund steckt.
Penny, wie sie »Ma-ma« und »Pa-pa« sagt, genau wie die Babys in der
Sesamstraße
.
Penny, wie sie über den Boden krabbelt und Toffee jagt.
Penny, wie sie in die Hände klatscht.
Woher wusste ihr kleines Gehirn, wie es ihr mitteilen sollte, sich hochzuziehen, um sich hinzustellen? Sich am Sofa festzuhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren? Woher wusste sie, wie man ohne Hilfe steht? Manchmal fiel sie hin, aber sie kam immer gleich wieder hoch. Sie blieb nie wie eine gestrandete Schildkröte auf dem Rücken liegen.
Dad las mir immer noch Gute-Nacht-Geschichten vor, aber jetzt kuschelte sich Penny auf seinen Schoß. Ich war zu groß dafür, und es war zu schwierig, mich auszubalancieren, also saß ich in meinem Rollstuhl, meinen Hund zu meinen Füßen, während die zwei die Geschichten lasen, die ich auswendig kannte. Toffee schlief weiterhin nur bei mir im Zimmer. Das gefiel mir.
Es freute mich wirklich, dass Penny dieselben Bücher kennenlernte, die ich so sehr liebte. Ich fragte mich, ob sie sie auswendig lernte. Wahrscheinlich nicht. Das hatte sie nicht nötig.
Ich glaube, Pennys drittes Wort war »Didi«. Sie konnte »Melody« zwar nicht ganz aussprechen, aber den letzten Teil kriegte sie hin! Ich liebte es, wenn Mom Penny nach ihrem Morgenbad zu mir ins Bett legte. Sie grabschte nach mir und drückte nasse, nach Babypuder duftende Küsse auf mein ganzes Gesicht. »Didi!«, rief sie immer und immer wieder.
Als sie ein Jahr alt war, konnte Penny laufen. Sie wackelte auf ihren dicken kleinen Beinchen durchs ganze
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