Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
Haus. Sie fiel oft hin, plumpste auf ihren Hintern und lachte jedes Mal dabei. Dann stand sie auf und versuchte es wieder.
Das war etwas, was ich nie ausprobieren würde.
Mit zwei Kindern im Haus änderte sich unsere Familienroutine. Morgens dauerte es doppelt so lange, alle fertig zu machen. Mom sorgte dafür, dass Penny jeden Tag hübsche kleine Outfits anzog, obwohl sie nur nach nebenan zu Mrs V. ging.
Meine Kleider waren okay, aber mir fiel auf, dass sie neuerdings eher nützlich als hübsch waren. Mom schien meine Garderobe danach auszusuchen, wie leicht man sie mir anziehen konnte. Irgendwie war das schade, aber mir war klar, dass es immer schwieriger wurde, mich hochzuheben und umzuziehen.
Wahrscheinlich sollte ich erwähnen, dass es eine ziemliche Prozedur ist, mich zu füttern. Ich kann nicht besonders gut kauen, daher bekomme ich vor allem weiches Essen wie Rührei oder Haferbrei oder Apfelmus. Da ich weder eine Gabel noch einen Löffel halten kann – ich versuche es, aber ich lasse sie immer wieder fallen –, muss mir jemand das Essen in den Mund schieben, einen Löffel nach dem anderen. Das dauert.
Löffel, schlürfen, schlucken.
Löffel, schlürfen, schlucken.
Ziemlich viel Essen fällt dabei zu Boden. Das gefällt Toffee. Sie ist ein Staubsaugerhund.
Auch das Trinken fällt mir schwer. Ich kann kein Glas halten und ich kann nicht mit dem Strohhalm trinken, also muss mir jemand sehr vorsichtig eine Tasse an die Lippen halten und ein bisschen Flüssigkeit in meinen Mund kippen, damit ich schlucken kann. Zu viel, und ich verschlucke mich und huste, und wir müssen von vorne beginnen. Es dauert lange, eine Mahlzeit in mich reinzukriegen. Natürlich hasse ich die ganze Prozedur.
Und manchmal ging es morgens wirklich hektisch zu.
»Chuck! Kannst du mir Melodys pinkes T-Shirt aus dem Wäschekorb mit der sauberen Wäsche bringen? Sie hat Saft über ihr ganzes T-Shirt gekleckert!«, brüllte Mom die Treppe hoch.
»Hast du ihr kein Lätzchen umgebunden, Diane?«, schrie Dad zurück. »Du weißt doch, dass sie kleckert! Warum wartest du nicht ab und ziehst sie erst an,
nachdem
sie gegessen hat?«
»Du schlägst also vor, dass ich sie nackt füttere? Bring einfach das T-Shirt!«, fauchte Mom. »Und eine Windel für Penny. Sie hat einen Stinker.«
»Sie ist zwei. Ist sie nicht alt genug, um aufs Töpfchen zu gehen?«, fragte Dad und kam die Treppe herunter mit einem blauen T-Shirt, aus dem ich herausgewachsen war, in der einen Hand und einer Windel in der anderen.
»Aber sicher. Ich werde gleich heute Abend anfangen, sie ans Töpfchen zu gewöhnen – in der fünfundzwanzigsten Stunde meines Tages!«
Dad hob Penny hoch. »Puh, das ist ein schlimmer«, sagte er und rümpfte die Nase. »Hast du ihr gestern Abend wieder Süßkartoffeln gegeben? Ich dachte, wir geben ihr die nicht mehr, weil sie davon immer Durchfall bekommt.«
»Na ja, wenn
du
zum Supermarkt gegangen wärst, so, wie ich dich gebeten hatte, hätte ich ihr etwas anderes geben können! Und dieses T-Shirt ist blau und nicht pink und zu klein für Melody!«
Mom stürmte aus der Küche und die Treppe hinauf.
»Entschuldigt, Mädels«, sagte Dad zu uns. Leise vor sich hin pfeifend, machte er Penny sauber und drohte, einen Gefahrguttransporter zu rufen. Das war lustig.
Dann fütterte er mich mit dem Rest von meinem Frühstück und kümmerte sich nicht darum, dass mein Haferbrei noch mehr Flecken auf mein ohnehin schon saftbekleckstes T-Shirt machte. »Was soll’s. Wir können genauso gut eine richtige Sauerei veranstalten, damit sich der ganze Stress auch gelohnt hat!«, sagte er lachend.
Ich lächelte ihn an und schmierte Haferbrei auf mein Tablett.
Mom kam mit frischem Make-up und einem frisch aufgemalten Lächeln, frisiertem Haar und meinem pinken T-Shirt wieder herunter. Sie und Dad umarmten sich in der Küche, beide holten tief Luft und wir verließen das Haus tatsächlich pünktlich.
Wir hatten viele solcher Tage.
Kapitel 10
Penny wacht jeden Morgen auf und fragt nach ihrem »Karli«, einem weichen, braunen Plüschtier, das vielleicht ein Affe ist, vielleicht aber auch ein Eichhörnchen. Es ist so verschlissen, dass niemand mehr mit Sicherheit sagen kann, was es einmal gewesen ist. Sie schleift es überallhin mit.
»Karli!«, schreit sie, wenn es sich in ihren Decken verfangen hat. »Karli!«, schreit sie, wenn es genau neben ihr liegt. Natürlich klingt es mehr wie »Kacki«, wenn sie es sagt. Dad lacht sich darüber
Weitere Kostenlose Bücher