Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
Welt auf den Kopf zu stellen und euch daran teilhaben zu lassen. Nehmt euch die Zeit und hört zu, was sie zu sagen hat.«
Claire meldet sich.
»Ja, Claire«, sagt Miss Gordon mit warnendem Blick.
»Ich will nicht gemein sein – ehrlich –, aber mir ist einfach noch nie in den Sinn gekommen, dass Melody Gedanken in ihrem Kopf haben könnte.«
Ein paar andere Kinder nicken unmerklich.
Miss Gordon erhebt ihre Stimme nicht. Stattdessen antwortet sie mit Bedacht: »Du hast immer sagen können, was dir gerade eingefallen ist, Claire. Alle von euch konnten das. Aber Melody war zum Schweigen verurteilt. Wahrscheinlich hat sie eine Menge Dinge zu sagen.«
»Ja. Ja. Ja« , lasse ich die Maschine sagen.
Ich lächele Miss Gordon dankbar an, dann zeige ich Rodney und Connor ein Videospiel, das zu meinem Medi-Talker gehört. Ich bezweifle, dass ich je schnell genug sein werde, um
Space Soldiers
zu spielen, aber es ist gut zu wissen, dass es da ist. Rodney hätte es wahrscheinlich in unter einer Minute raus.
Miss Gordon schaut sich die verschiedenen Ebenen an und sieht beeindruckt aus. »Was für einen großen Wortschatz du jetzt hast, Melody!«, sagt sie zu mir. »Du fühlst dich bestimmt, als hätte man eine Tonne Steine von dir genommen.«
Ich nicke. »Megapool« , sagt die Maschine laut. Ups! Ich wollte
Megacool
sagen. Ich spüre, wie mein Gesicht warm wird, als ich Claire und Molly kichern höre.
Aber Rose zieht ihren Tisch nah an meinen Rollstuhl heran. »Das ist so genial, Melody«, sagt sie leise, und ich lasse sie die leuchtenden Tasten anfassen.
»Oh ja« , antworte ich. Dann sehe ich sie an. »Freunde?« , tippe ich.
»Freunde!«, antwortet sie, ohne zu zögern.
»Glücklich« , tippe ich, dann verkrampfe ich mich. Hoffentlich mache ich nichts Dummes, wie zum Beispiel vor lauter Aufregung etwas umzuhauen.
Rose betrachtet mich aufmerksam. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn all meine Worte in mir drin feststecken würden«, sagt sie schließlich.
»Es ist zum Kotzen!« , tippe ich.
Rose kichert. »Das Gefühl kenn ich!«
Kapitel 17
Im letzten Monat, während ich mich daran gewöhnt habe, Elvira zu benutzen, war das Leben in der Schule fast angenehm. Fast. Ich kann Connor nach einer Fernsehsendung fragen, die am Abend zuvor gelaufen ist, oder Jessica sagen, dass mir ihre neuen Schuhe gefallen.
Es hat geschneit – nur ein paar Flocken – , dafür aber fast täglich. An einem Spätnachmittag im Januar tippte ich: »Ich hoffe, es schneit richtig – schneefrei, keine Schule.« Alle haben mir beigepflichtet. Ausnahmsweise habe ich einmal für die ganze Klasse gesprochen.
Mit Elviras Hilfe kann ich Fragen im Unterricht viel besser beantworten. Statt Noten, die die Lehrer mir auf gut Glück gaben, weil sie sich nicht ganz sicher waren, ob ich die Antwort kannte oder nicht, bekomme ich zum ersten Mal richtige Noten ins Notenbuch der Lehrer eingetragen, die auf meinen tatsächlichen Antworten basieren. Ausgedruckt und alles!
Aber in der Pause sitze ich immer noch alleine. Es ist zu kalt gewesen, um nach draußen zu gehen, also sitzen wir im hintersten Eck der überheizten Cafeteria, bis es an der Zeit ist, zurück in die Klassenzimmer zu gehen. Keines der Mädchen lästert mit mir über irgendeinen albernen Satz, den ein Junge gesagt hat. Niemand verspricht, mich nach der Schule anzurufen. Niemand lädt mich zu einer Geburtstagsfeier oder zum Übernachten ein. Nicht einmal Rose.
Klar, sie bleibt stehen und unterhält sich ein oder zwei Minuten mit mir, aber sobald Janice oder Paula sie rufen, damit sie sich ein Foto auf dem Handy ansieht, sagt Rose: »Ich bin gleich wieder da!«, und springt davon, als wäre sie froh, einen Grund zu haben, um von mir wegzukommen.
Ich lächele nur, hoffe, dass ich nicht sabbere, und tue so, als hätte ich es nicht bemerkt. Nachdem ich den Anschein für eine Weile wahren konnte, drücke ich die Taste für den Satz »Zurück nach H-5« , und Catherine und ich rollen den Gang entlang.
Eines Nachmittags Ende Januar verkündete Mr Duming, mit einer Stimme, die klang, als hätte er trockenes Toastbrot gekaut: »Ich finde, heute sollten wir den üblichen Unterricht sein lassen und stattdessen eine Übungsrunde für das Superhirn-Quizteam einlegen.«
Alle jubelten, denn sonst hätten wir eine Unterrichtsstunde über die Sahara gehabt. Von wegen »trocken« und »getoastet«!
Jedes Jahr schickt unsere Schule ein Team zum Wettbewerb der Superhirne. Die
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