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Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Titel: Mit Worten kann ich fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Draper
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Sie will die hellen Lichter und leuchtenden Tasten anfassen, aber Mrs Shannon geht dazwischen und lenkt sie mit einem neuen Computerspiel ab, das sie auf dem Klassenrechner installiert hat.
    Als Catherine kurz vor dem Klingeln zur Englischstunde hereinkommt, bin ich vorbereitet. Sie trägt ein grünes Karohemd, einen blauen Rock und orange Kniestrümpfe. Ich habe im Voraus geplant, was ich als Erstes zu ihr sagen will, und Mrs V. und ich haben es einprogrammiert. Ich drücke eine Taste und lächele. »Lass uns shoppen gehen.«
    Catherine schnappt nach Luft, dann lacht sie so heftig, dass sie kaum Luft holen kann. Dann rennt sie zu mir und umarmt mich. »Ich freu mich so für dich, Melody! Das hast du wirklich gebraucht! Und ja, wir müssen einen Tag ausmachen, an dem du meinem Modegeschmack auf die Sprünge helfen kannst!«
    »Wir müssen uns beeilen« , tippe ich. Ich bin bester Laune.
    »Du bist eine hartherzige Frau!«, verkündet Catherine, immer noch lachend. »Aber jetzt lass uns erst mal zu deinen Integrationsstunden gehen und mit dieser coolen neuen Maschine angeben!«
    Ich zittere vor Aufregung. Als ich mit meinem Rollstuhl wie üblich in Miss Gordons Klassenzimmer rolle, schaut niemand auf – bis auf Rose, die mich anlächelt.
    Aber dann drehe ich die Lautstärke richtig auf und drücke eine Taste: »Hallo, alle zusammen. Ich habe einen neuen Computer.«
    Köpfe drehen sich um und Stimmen flüstern.
    »Sie machen Computer für Behinderte?«
    »Er spricht? Meiner kann das nicht.«
    »Du brauchst keinen, der sprechen kann!«
    »Er klingt komisch.«
    »Genau wie du.«
    »Was kann sie überhaupt zu sagen haben?«
    Aber Connor springt auf, seine struppigen blonden Haare fallen ihm in die Augen, und er sagt laut: »Das ist genial, Melody!«
    Und weil er zu den angesagten Kindern gehört und wahrscheinlich das dickste und größte Kind in der fünften Jahrgangsstufe ist und, ich glaube, weil er sein Okay gegeben hat, beschließt der Rest der Schüler, es gut sein zu lassen.
    Na ja, die meisten jedenfalls. Claire, die als Erste in der Klasse einen eigenen Laptop bekommen hat, und die dafür sorgt, dass es jeder mitkriegt, wenn sie ein neues iPhone oder ein Wii-Spiel bekommt, rümpft die Nase und sagt: »Dieser Computer sieht ganz schön komisch aus! Aber für ein Kind wie dich ist er wahrscheinlich genau richtig.« Sie und Molly tauschen Blicke. Ich schwöre, sie denken, ich sei blind.
    Miss Gordon, die aussieht, als würde sie Claire am liebsten wie eine leere Zahnpastatube ausquetschen, sagt zu ihr: »Claire, in meinem Klassenzimmer dulde ich keine Unhöflichkeiten. Setz dich jetzt hin und sei still!«
    Aber selbst Claire kann meiner guten Stimmung keinen Dämpfer aufsetzen. Ich drücke eine andere Taste für einen Satz, den Mrs V. und ich bereits vorbereitet haben. Irgendwie wusste ich, dass ich ihn brauchen würde! Die Maschine sagt: »Ich spreche jetzt mit allen – auch mit Claire!«
    Ich sehe, wie sie böse dreinblickt, aber alle anderen lachen. Alle wollen die Maschine anfassen oder Tasten drücken oder versuchen, sie zu bedienen, aber Catherine hält sie davon ab und lässt mich alles selbst vorführen.
    Ich wechsle auf die grüne Ebene – zu den Witzen. »Klopf, Klopf!«
    »Wer da?«, antworten mehrere gleichzeitig.
    »Anna« , sagt der Medi-Talker.
    »Anna wer?«, antworten die Kinder um mich herum.
    »Anna Tür hat wer geklingelt.«
    Alle lachen mit mir über den albernen Witz. Auch wenn meine Arme und Beine rudern und kicken und ich beim Lachen ein bisschen sabbere, es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich das Gefühl habe, dazuzugehören. Ich wünschte, ich könnte eine Speichertaste drücken, um diesen Moment immer und immer und immer wieder abspielen zu können.
    Ich tippe »Heute ist Montag. Es ist kalt« , dann drücke ich eine blaue Taste an der Maschine. Es surrt ein bisschen, dann, als würde sie die Zunge rausstrecken, spuckt die Maschine seitlich ein dünnes Blatt Papier aus. Darauf gedruckt stehen die Wörter, die ich gerade getippt habe.
    »Wow!«, sagt Rodney, der Klassen-Weltmeister, wenn es um Videospiele geht. »Das Teil hat einen Drucker! Wie scharf!«
    Miss Gordon nickt aufmunternd, als Catherine den Ausdruck herumreicht, damit alle meine Worte lesen können. Dann erklärt Catherine der Klasse: »Melodys Medi-Talker ist ein kombinierter Computer, MP3-Player und Sprachgenerator. Er hat eine hohe Bildschirmauflösung, ein Hightech-Innenleben und ist dafür gemacht, ihre

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