Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
gefühlsmäßige Beteiligung ist, umso besser gelingt dies.« 22 Nehmen wir an, die zum Beziehungsende führende Kontroverse fand in einem Strandlokal bei Sonnenuntergang statt, während das Noch-Paar ein Fischgericht mit viel Knoblauch aß. Würde in diesem Moment das Gehirn gescannt, könnte man feststellen, dass die Amygdala (unser emotionales Zentrum) sowie die sensorischen Areale im Gehirn, die fürs Sehen, für den Geruch und für den Geschmack zuständig sind, aktiviert werden und gleichzeitig »feuern«. Stresshormone werden ausgeschüttet, die bestimmte Körperempfindungen auslösen. Alle diese Eindrücke verknüpfen sich im Gehirn zu einem Netzwerk. Ein Detail (z. B. Knoblauch oder Mittelmeerinsel) kann dann das ganze Netzwerk hervorrufen. Es dauert manchmal lange, diese Verknüpfung wieder zu verlernen.
Eine weitere Eigentümlichkeit zeigt sich darin, dass es zur Heilung von Angst einerseits wichtig ist, Distanz zu dem Gefühl zu gewinnen, andererseits jedoch eine Annäherung an das Angstobjekt hilfreich ist. In dem berühmten Kinderbuch von Michael Ende begegnen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer dem Riesen Turtur. 23 Seine riesige Gestalt flößte ihnen Angst ein, jedoch erstaunlicherweise wurde der Riese immer kleiner, je näher die beiden ihm kamen – ein stimmiges Bild für den Umgang mit einem Angstobjekt. Eine vorurteilsfreie, interessierte Beschäftigung mit dem Objekt der Angst, wie es in der Verhaltenstherapie bei einer Spinnenphobie oder Höhenangst geübt wird, lässt die Angst geringer werden. Nach einem solchen Prozess hört man dann die Patientinnen und Patienten erstaunt sagen: »Das ist doch völlig harmlos. Heute verstehe ich gar nicht mehr, warum ich so eine Angst davor hatte. Das lag nur daran, dass ich es nicht kannte.«
Die Methode der langsamen Annäherung an das Angstobjekt in kleinen Schritten, die leicht zu bewältigen sind, eignet sich vor allem für den Umgang mit konkreten Ängsten. Es ist das Verdienst der Verhaltenstherapie, die Lerngesetze für die therapeutische Arbeit konkret umgesetzt und nutzbar gemacht zu haben. Während Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, besonders die Prägungen während der Kindheit und die Beziehungen des Kindes zu seinen Eltern hervorhob, beschäftigt sich die Verhaltenstherapie vor allem mit der Wirkung eines Verhaltens. Wenn ein Verhalten ein angenehmes Ergebnis zur Folge hat, wird es wiederholt. Folgt eine unangenehme Reaktion, wird das gleiche Verhalten in Zukunft gemieden, etwa wenn ein Kind von einem Hund gebissen worden ist und in Zukunft nur noch einen großen Bogen um jedenHund macht. Oder noch schlimmer: Ein Mensch hat enttäuschende Erfahrungen mit seiner ersten großen Liebe gemacht und meidet in Zukunft alle Begegnungen mit dem anderen Geschlecht. Jedes Vermeidungsverhalten engt den persönlichen Spielraum ein und macht das Leben leerer und ärmer.
Ein weiteres wichtiges Gesetz der Lernpsychologie hilft, eine zunächst schwierig erscheinende Aufgabe in kleinere Lerneinheiten aufzugliedern und nach dem Schwierigkeitsgrad anzuordnen, nach dem Prinzip: vom Leichten zum Schweren. Für die Angst vor Hunden, die sich unbehandelt manchmal bis zur Angst, auf die Straße zu gehen, steigern kann (weil dort ein Hund sein könnte), wäre dann folgender Weg möglich: Das Kind bekommt einen Hund als Kuscheltier, gemeinsam sehen sich die Eltern ein Buch über Hunde oder einen Film mit niedlichen Hunden an. Als nächsten Schritt könnten die Eltern gemeinsam mit dem Kind eine Familie besuchen, in der das ängstliche Kind beobachten kann, wie ein anderes Kind entspannt und lustvoll mit einem Hund spielt. Möglicherweise wird es dann bereits beim nächsten oder übernächsten Besuch möglich, dass auch das zuvor ängstliche Kind den Hund vorsichtig streicheln kann, anderenfalls müsste über einen weiteren, noch kleineren Zwischenschritt nachgedacht werden.
Wichtig bei allen Lernprozessen ist die Geduld. Ob es sich um die beharrliche Konfrontation mit einem ängstigenden Objekt oder – im Üben von Yoga – um das Entwickeln von Kraft und Ausdauer einerseits und das achtsame Loslassen andererseits in einer Entspannungsposition handelt, jede Entwicklung braucht Zeit.
Ein Grashalm wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
(Indianische Weisheit)
Auch eine weite Reise beginnt mit dem ersten (kleinen) Schritt.
(Asiatische Weisheit)
Es ist logisch und selbstverständlich, dass bei jedem Lernprozess zuerst mit einer einfachen
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