Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
und leichten Aufgabe begonnen und der Schwierigkeitsgrad dann langsam gesteigert wird. So bleibt die Motivation erhalten. Wenn die Aufgabe zu schwer ist, löst sie Ängste und Verspannungen aus, die demotivierend wirken. Ist sie zu leicht, dann entfällt das wunderbare Belohnungsgefühl, das sich einstellt, wenn man eine Herausforderung bewältigt hat.
In der Verhaltenstherapie werden die einzelnen Schwierigkeitsgrade als Stufen nummeriert. Für jeden Menschen findet man individuell heraus, wie schwer ihm die einzelnen Schritte fallen, so dass er sie in der für ihn richtigen Reihenfolge üben kann. Dabei sind Pausen mit einem zufriedenen Zurückblicken auf das Erreichte und eine kleine Belohnung, die jeder sich selbst geben kann, wichtig. Ein Sprichwort sagt: »Erfolg ist der beste Lehrmeister.« Die Belohnung nach der erfolgreichen Bewältigung eines weiteren Schrittes auf der Angst-Stufenleiter wird in der Verhaltenstherapie Verstärkung genannt. Der Begriff bringt deutlich zum Ausdruck, worum es geht: Das gewünschte Verhalten wird durch eine nachfolgende Belohnung stärker. Es ist ein wertvolles Geschenk der Verhaltenstherapie, diese Lerngesetze detailliert ausgearbeitet und konkretisiert zu haben.
Auch wenn die Vermessenheit der ersten Verhaltenstherapeutinnen und -therapeuten, die behaupteten, dass jeder Mensch alles lernen kann, revidiert werden musste, bleibt die Botschaft weiterhin optimistisch: Sehr vieles kann gelernt werden, wenn es auf gesunde und konstruktive Weise angegangen wird.
Der zu Beginn dieses Kapitels erwähnte Herr Müller mit seiner Angst vor dem Fahrstuhlfahren, der sich zwischen den Erwartungen seiner Mutter und denen seiner Frau »eingeklemmt« fühlte, hatte also zu lernen, sich selbst in seinem Bedürfnis nach Bewegungsspielraum ernst zu nehmen und vor allem auch dies zu äußern. Dafür war es wichtig, Mut und Abgrenzungsfähigkeit zu lernen. Ein erster Schritt bestand darin, beim Essen – egal, ob es von seiner Frau oder seiner Mutter zubereitet worden war – klarer zu sagen, was er mag und was er nicht mag. In einem nächsten Schritt lernte er, in Fragen der Freizeitgestaltung seine Vorlieben den beiden klarer mitzuteilen, unabhängig von der Beeinflussung durch eine der beiden Frauen. Immer wieder brachte die Mutter ihn in Situationen, die von ihm eine Entscheidung verlangten: entweder für die Mutter oder für seine Frau. Schließlich erkannte er, dass ihm die Beziehung zu seiner Frau wichtiger war, und er verlangte von seiner Mutter, nicht mehr negativ über seine Frau zu sprechen. Frau Meiers Weg bestand darin, ihrem Bedürfnis nach Hingabe und Sich-fallen-Lassen im Hier und Jetzt kleinschrittig und daher »ungefährlich« entgegenzukommen. Ihre Angst vor dem Wasser war völlig berechtigt, da dieses nicht der richtige Ort für das Bedürfnis ist, um das es eigentlich geht.
Yoga hat sich über die Jahrhunderte hinweg zu einem sehr ausgefeilten System entwickelt, es gibt Übungen für Anfänger und Übungen für Fortgeschrittene, Übungsreihen für Kinder und Jugendliche oder Reihen für Senioren. Im therapeutischen Yoga üben Menschen mit Bluthochdruck andere Asanas als Menschen mit Rückenschmerzen. Eine Yoga-Stunde beginnt in aller Regel mit leichten Aufwärmübungen, im weiteren Verlauf wird der geforderte Krafteinsatz gesteigert, um gegen Ende der Stunde dann in eine Entspannungsphase überzugehen. Der achtstufige Pfad nach Patanjali (siehe den entsprechenden Abschnitt in Kapitel 2) macht deutlich, mit welchen Übungen begonnen werden sollte, damit sich – als Belohnung oder Geschenk – ein besonderer Bewusstseinszustand einstellen kann.
Das Thema Entspannung und Sich-Fallenlassen verlangt ebenfalls eine langsame Hinführung, indem zunächst dem natürlichen Bedürfnis nach Entspannung im Anschluss an eine fordernde Übung mehr Beachtung und Raum gegeben wird und das Nachspüren verlängert wird. Die meditativen Entspannungphasen können zunächst im Sitzen geübt werden, bevor die innere Bereitschaft zum entspannten Liegen möglich ist. Auch spirituelle Tiefe kann sich nur langsam entwickeln und muss Schritt für Schritt erfahren werden, damit sie integriert werden kann. Als spirituell ausgerichtete Therapeutin sind mir öfters Menschen begegnet, die durch forcierende Meditationstechniken in eine traumatisierende Situation gerieten und die Notwendigkeiten des Alltags nicht mehr in den Griff bekamen (siehe den Abschitt »Fürchtet euch nicht – ich verkündige euch
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