Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
glaubte ich, ein toter Mann zu sein. Blut strömte sprichwörtlich wie ein Fluss um meine Knöchel, als erlebte ich eine Geschichte aus der Bibel. Wenig später fiel der Strom aus. Alles wurde schwarz. Da ging der wahre Horror erst los.
Wir hatten weder Zeit, unsere Nachtsichtgeräte überzuziehen, noch eine Leuchtfackel zu zünden. Stattdessen schossen wir ziellos um uns und wichen dabei zurück, bis wir mit aufgesteckten Bajonetten rings um Captain Reese standen. Im Mündungsfeuer erhaschten wir kurze Blicke auf die Tollwütigen, die das Zweite Platoon zerfleischten, und zwar so unmittelbar vor uns, dass man wegen des Geruchs hätte kotzen können. Sie schrien im Dunkeln. Es war ein einziges Gemenge. Die Männer starben wie die Fliegen – und was tat ich? Scheiße, mein Herz hämmerte wie blöde, und ich nässte mich ein, wobei ich so heftig zitterte, dass ich mich kaum bewegen konnte.
First Sergeant Callahan wollte den Captain fortziehen und in einem Gebäude in der Nähe in Sicherheit bringen, aber Reese stand seinem Mann und feuerte mit der Pistole. Irgendwer hatte den bescheuerten Einfall, eine Rauchbombe hochgehen zu lassen, um ihn zu verhüllen. Die Tollwütigen umschwärmten den Captain und pflückten sein Fleisch von den Knochen. Ich kam nur knapp davon, weil ich von der Meute gepackt und in die Luft gewirbelt wurde. Da fühlte sich an, wie Hiebe mit einem Baseballschläger überall gleichzeitig am Körper. Als ich wieder auf dem Boden auftraf, kroch ich unter einen Lastwagen. Sie kamen von allen Seiten, liefen an mir vorbei, rüttelten an Fahrzeugen und ließen die Erde beben wie eine Elefantenherde.
Die Tollwütigen starben zu Tausenden und löschten uns dennoch aus, fast ohne dabei aus dem Tritt zu geraten. Als alles vorbei war, schaffte ich es, fast den gesamten Weg hierher zu laufen, bevor dieser Jungspund aus dem Laderaum eines Kleinbusses sprang und mir das in die Hand drückte. Ist mir aber jetzt scheißegal, sag ich dir, weil ich so hundemüde bin. Wirklich, so fertig bin ich noch nie gewesen.
Ist das mein neues Zuhause?
Noch irgendeine, äh … letzte Bitte?
Private First Class Mooney öffnet die Tür zum Klassensaal und wartet. Wyatt und er haben seit letzter Nacht wiederholt die gleichen Berichte von traumatisierten Überlebenden gehört. Er weiß nicht, was er dem Soldaten erzählen soll. Was sagt man einem Menschen, dessen Freunde brutal vor seinen Augen zerfleischt wurden und der dem Tod geweiht ist aufgrund eines Erregers, der sich munter in seinem Gehirn repliziert?
»Einen Zimmergenossen oder so kriege ich nicht?«, fragt der Soldat.
»Alle anderen, die gebissen wurden, verwandeln sich bereits«, erklärt Mooney. »Sie könnten dich angreifen.«
»Wäre nett gewesen, mit jemand anderem von Delta schwatzen zu können und gemeinsam über den Jordan zu gehen.«
»Tut mir leid, Mann.«
»Schon gut. Ist wohl auch schnuppe. Jeder stirbt früher oder später, ob mit letzter Kippe oder ohne. Ich bin einfach nur froh, dass der Krieg für mich gegessen ist.«
»Wir haben ein paar Bücher aus der Bibliothek geholt. Klassiker. Damit kriegst du die Zeit besser herum. Kann ja sein, dass sie dir gefallen. Außerdem haben wir überall Bescheid gesagt, für den Fall, dass andere vorbeischauen und durch die Tür mit dir quatschen wollen. Ein bisschen Zeit bleibt dir ja noch.«
Der Soldat nickt. »Stimmt, okay. Danke.«
Mooney bemerkt, dass der Mann mit dem linken Auge zuckt. »Noch irgendeine, äh … letzte Bitte?«
»Nein, ich brauche nichts mehr«, versichert der Soldat, betritt das Klassenzimmer und stellt sich ans Fenster, um nach draußen zu schauen, wo die Sonne scheint. Er atmet tief ein. »Wenn ich's dir sage, das ist wirklich …«
Mooney hat schon mit dem Absperren des Zimmers begonnen. Wyatt reicht ihm eine Handvoll Nägel, die er ins Türblatt schlägt.
Im Laufe der Nacht und auch noch am Morgen kamen vereinzelte Überlebende zur Schule, wo sie ihre schauerlichen Geschichten erzählten. Viele von ihnen waren gebissen worden und wussten nicht, wohin sie sich sonst wenden sollten. Der Lieutenant wollte sie nicht töten oder abweisen, also kam er auf die Idee, einen Teil des Westflügels der Schule als Sterbehaus zu verwenden.
Wyatt lehnt die abmontierte Tischplatte eines Pultes an den Türrahmen. Mooney hämmert sie fest, sodass die untere Hälfte der Tür bündig abgeriegelt ist. Als sie auch den oberen Teil geschlossen haben, nagelt Mooney eine der Hundemarken des
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