Mitch
Bauchschmerzen?“ fragte er, denn zurzeit grassierte in Hard Luck die Grippe.
Chrissie nickte.
„Tut dein Hals weh?“
„Ja.“
„Dann messe ich am besten mal Fieber.“
Erschrocken schaute sie ihn an. „Nein. Ich will das Ding nicht in meinem Mund!“
„Es tut doch nicht weh, Chrissie.“
„Ist mir egal. Ich will nicht, dass du bei mir Fieber misst. Ich will nur ins Bett.“
Mitch hatte ganz vergessen, wie unvernünftig seine Tochter sein konnte, wenn sie krank war. „Meinst du, du kannst nachher etwas essen?“
„Nein“, erwiderte sie leise. „Ich will ins Bett. Keine Angst, ich sterbe schon nicht.“
Er seufzte, denn er wusste nicht, ob sie lediglich übertrieb oder ihre Worte Ausdruck ihrer Angst vor dem Tod waren. Sie hatte von Catherines Beerdigung gewusst und möglicherweise über ihre Mutter nachgedacht …
„Bringst du mich ins Bett?“
„Na klar.“ Mitch folgte ihr in ihr Zimmer und machte das Bett, während sie sich auf den Boden kniete, um ihr Abendgebet zu sprechen. Diesmal schien es doppelt so lange zu dauern wie sonst, aber er tat so, als merkte er es nicht.
Sobald er sie zugedeckt hatte, setzte er sich aufs Bett und strich ihr das Haar zurück.
„Bleib hier, ja?“ fragte Chrissie schläfrig.
Er nahm das Buch von Jack London, aus dem Mitch ihr jeden Abend vorlas, doch sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich möchte, dass du mir die Geschichte von der Prinzessin vorliest. Das ist meine Lieblingsgeschichte.“
Er hatte ihr die Geschichte schon so oft vorgelesen, dass sie sie mittlerweile auswendig kannte. Obwohl sie inzwischen selbst lesen konnte, gab es bestimmte Geschichten, die er ihr immer vorlesen musste.
Mitch nahm das andere Buch und schlug es auf. Kaum war er mit der ersten Seite fertig, meldete Chrissie sich zu Wort.
„Daddy.“
„Ja, mein Schatz?“
„Gehen wir an Thanksgiving zu Susan?“
Er klappte das Buch wieder zu. „Sawyer hat uns heute Nachmittag zum Essen eingeladen.“ Sicher hatte Susan auch mit Chrissie darüber gesprochen. Sawyer hatte nebenbei bemerkt, dass Bethany ebenfalls da sein würde, und auf seine Reaktion gewartet. Er, Mitch, hatte daher höflich gelächelt und erklärt, er würde sich darauf freuen, sie wiederzusehen. Das stimmte tatsächlich.
„Hast du Sawyer gesagt, dass wir kommen?“
Mitch nickte.
Plötzlich leuchteten Chrissies Augen. „Hoffentlich bin ich dann nicht mehr krank.“
„Bestimmt nicht.“
Er hatte keine Ahnung, was mit seiner Tochter los war, aber er hatte den Verdacht, dass es nicht so ernst war, wie sie ihn glauben machte. Nachdem er noch ein paar Minuten an ihrem Bett gesessen hatte, ging er in die Küche, um nach dem Essen zu sehen.
„Daddy!“
Noch nie hatte er einen so markerschütternden Schrei gehört. Mitch eilte zu ihrem Zimmer und steckte den Kopf zur Tür hinein. „Was ist los?“
„Ich möchte, dass Miss Ross kommt.“
Sofort begann sein Herz schneller zu klopfen. „Warum?“
„Ich möchte nur mit ihr reden.“ Da er nicht antwortete, fügte Chrissie hinzu: „Bitte, Daddy. Wenn Miss Ross bei mir ist, geht es mir gleich besser.“
Seine Tochter lieferte ihm gerade den perfekten Vorwand, Bethany anzurufen. In den letzten Wochen hatten sie sich kaum gesehen, und Mitch hatte den Eindruck, dass Bethany ihm aus dem Weg ging. Da ihm das, was nach der Trauerfeier in seinem Büro passiert war, peinlich war, hatte er beschlossen, sie ihn Ruhe zu lassen. Er hatte bereits genug Schaden angerichtet.
Das änderte jedoch nichts an seinen Gefühlen für sie. Schon lange hatte er sich nicht so verletzlich gefühlt, und das beunruhigte ihn.
Seit sie sich im Café getroffen hatten, begrüßten sie sich höflich und wechselten einige belanglose Worte, als würden sie sich kaum kennen.
Trotzdem konnte Mitch nicht vergessen, wie es war, als Bethany in seinen Armen gelegen und er ihre Lippen auf seinen gespürt hatte. Immer wenn er daran dachte, hätte er sich ohrfeigen können für das, was er ihr angetan hatte.
„Daddy.“ Chrissie schaute ihn bittend an. „Kannst du Miss Ross anrufen?“
Er nickte hilflos. Daraufhin ging er in die Küche und nahm den Hörer ab. Chrissie ahnte ja nicht, was sie von ihm verlangte. Andererseits war er froh, dass er einen Grund hatte, Bethany anzurufen.
Nach dem zweiten Klingeln nahm sie ab.
„Hallo.“
Als er ihre Stimme hörte, erfasste ihn Panik, und er überlegte angestrengt, was er sagen sollte. Einerseits wollte er nicht übertreiben, andererseits
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