Mitch - Herz im Dunkeln
noch immer heißen Straße. „Ich nehme an, du hast es gemerkt – es war schon eine Weile her für mich, dass ich mit einer Frau zusammen war.“ Er sah sie kurz an. Dieses Geständnis machte ihn verlegen. „Und es ist sehr lange her, dass ich überhaupt mit einer Frau zusammen sein wollte.“
Sie verschränkte die Arme auf dem Lenkrad, ließ den Kopf daraufsinken und prustete los. „Das ist sehr schmeichelhaft aus dem Mund eines so gut aussehenden Mannes, der sich ach so bescheiden gibt. Tatsache ist aber, dass du bei Amnesie nun einmal nicht mit Sicherheit wissen kannst, ob du verheiratet bist oder nicht.“
„Doch, es gibt einige Dinge, die ich weiß. Ja, es klingt unwahrscheinlich, dass ich meine Jeansgröße kenne, gleichzeitig aber mein Gesicht im Spiegel nicht wiedererkenne. Es ergibt keinen Sinn, und doch ist es so. Und mit der gleichen Gewissheit kann ich dir sagen, dass ich nicht verheiratet bin.“
Sie spähte unter ihrem Arm hervor. „Ich spiele dir nichts vor“, fügte er mit sanfter Stimme hinzu. „Es ist tatsächlich schon eine Weile her für mich. Ich wollte die ganze Nacht mit dir schlafen, aber irgendwie ist es mir entglitten.“
Wow, was tat er da? Sie war misstrauisch ihm gegenüber und wollte lieber auf Distanz bleiben. Das war doch gut, oder? Warum sagte er dann plötzlich solche Dinge, mit denen er nur wieder größere Nähe herstellen würde?
Weil er genau das wollte. Er wollte Becca in den Armen halten, ihre Nähe spüren. Bei dieser Frau verließ ihn seine Willenskraft völlig. Ihm war absolut klar, dass es besser für sie wäre, wenn sie einen möglichst großen Abstand zu ihm hielte – am besten gleich ein paar Hundert Meilen. Aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Er wollte mit ihr zusammen sein.
Sie hob den Kopf, den Blick nach wie vor auf ihn gerichtet. Ihre Augen verrieten ihm, wie sehr auch sie sich immer noch zu ihm hingezogen fühlte, mit welch sinnlicher Leidenschaft. Aber sie war hin und her gerissen zwischen ihren Gefühlen und ihrem gesunden Misstrauen.
Mitch wusste, dass das Paradies nur einen Kuss und einen Herzschlag weit entfernt war.
Er wandte sich ab. „Die Kirche liegt in dieser Gegend, nicht weit vom Busbahnhof entfernt.“
Becca zögerte, doch er sah sie nicht wieder an. Schließlich legte sie den Gang ein und fuhr weiter.
„Jarell? Der ist neuerdings ja richtig gefragt“, sagte die Frau im Kirchenbüro amüsiert. Sie nahm einen Aktenordner aus einem wackligen alten Schrank und blätterte darin. „Er ist ehrenamtlicher Helfer. Mal sehen …“ Sie runzelte die Stirn. „Nein, heute Abend arbeitet er nicht im Obdachlosenasyl. Erst Mittwochabend wieder.“
„Gibt es eine Möglichkeit, wie wir heute noch mit ihm Kontakt aufnehmen können?“, fragte Mitch.
Die Frau schüttelte den Kopf und hatte für ihn und Becca nur ein entschuldigendes Lächeln. „Tut mir schrecklich leid, aber wir können über unsere ehrenamtlichen Helfer keine persönlichen Informationen herausgeben. Aber es wäre sehr gut möglich, dass Sie ihn morgen Nachmittag in der Küche antreffen. Morgen Abend gibt es ein Kirchenessen, und keiner macht einen so guten Hackbraten wie Jarell. Jedenfalls keinen Hackbraten für zweihundert Leute.“
Morgen Nachmittag. Becca sah Mitch nicht an. Wenn sie bis morgen Nachmittag warten mussten, um mit Jarell zu sprechen, würden sie die Nacht in Wyatt City verbringen müssen.
Sie wartete still, bis er sich bei der Frau bedankt hatte, dann folgte sie ihm aus dem Kirchenbüro hinaus in die warme Abendluft. Sie gingen schweigend zurück zu Beccas Pick-up, den sie nur eine Straße weit entfernt vom Busbahnhof geparkt hatte.
„Als wir heute Morgen Santa Fe verlassen haben, war ich mir nicht im Klaren darüber, wie lange wir unterwegs sein würden. Tut mir leid. Ich bezahle die Motelzimmer natürlich.“
Die Zimmer. Mehrzahl. Wollte er heute Nacht wirklich getrennte Zimmer? War es möglich, dass ihn im Gegensatz zu ihr nicht den ganzen Tag lang die sinnlichen Erinnerungen der vergangenen Nacht verfolgt hatten? Konnte es sein, dass er sich im Gegensatz zu ihr nicht nach weiteren Küssen verzehrte?
Den ganzen Tag schon wollte sie nur in seinen Armen liegen und ihn küssen.
Becca schloss die Augen und betete im Stillen, er möge recht haben und nicht verheiratet sein.
„Wir sollten irgendwo zu Abend essen und …“
„Meinst du, es ist sinnvoll, für zwei Zimmer zu bezahlen, wenn wir am Ende wahrscheinlich doch in einem landen?“,
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