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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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geworden ist, die globale Vernetzung lebensbestimmend, die Gefährdung der Schöpfung erdumfassend, ist der Erdball zum Ganzen geworden, dem wir als Teil zugehören, ist «der Erdenbürger in uns», der «Welt-Innenpolitiker», zum Wachstum verdammt. Unsere historische Seele, die das Wir im überschaubaren Nahbereich erwartet, ist auf diese Dimension schlecht vorbereitet. Da aber für das (Über-)Leben auf diesem Planeten keine andere Wahl bleibt, ist dieser Quantensprung unausweichlich. Sind wir nicht die Nachfahren von Überlebenskünstlern?
    Die soziologische Dimension: Rollenkonflikte
    So weit einige Überlegungen zur «Natur» des Menschen und der darin angelegten inneren Konflikthaftigkeit. In einer arbeitsteiligen und komplex organisierten modernen Gesellschaft kommt ganz entscheidend, und tief in unser Seelenleben eingreifend, noch etwas anderes hinzu: Durch das Einnehmen von Rollen geraten wir unweigerlich in eine Vielzahl von Rollenkonflikten. Diese soziologische Dimension ergänzt und überlagert die anthropologische und sei hier nur in aller Kürze dargestellt. Gemeinhin werden Rollenkonflikte unterteilt in Inter - und Intra -Rollenkonflikte (so Reimann u.a. 1975).

    Inter-Rollenkonflikte entstehen dadurch, dass ich zwei oder mehrere Rollen im Leben gleichzeitig innehabe und eine teilweise Unvereinbarkeit spüre. Wenn ich zum Beispiel sowohl Mutter, Ehefrau, Sekretärin und Elternsprecherin bin, dann werden die inneren Stimmen am Feierabend zu einem disharmonischen Konzert ansetzen: «Nimm dir mal endlich ein bisschen Zeit für deine kleine Tochter beim Zubettbringen!», sagt die Mutter in mir und jagt gleich noch ein paar Schuldgefühle hinterher. – «Du musst unbedingt noch die Lehrerin wegen der neuen Sitzordnung anrufen!», sagt die Elternvertreterin in mir , und ich spüre, wie mir einige Eltern im Nacken sitzen. – «Ich möchte mich auch mal wieder ein bisschen schön machen und mit meinem Mann in Ruhe ein Glas Wein trinken!», regt sich die Ehefrau in mir mit der bangen Erwartung, er könnte sich längst vernachlässigt fühlen. – «Aber lass es nicht so spät werden, morgen hast du in der Abteilung zusammen mit dem Chef deinen Großkampftag!», mahnt die Berufstätige , die schon jetzt erschöpft und müde ist und «im Grunde nur noch ihr Bett sehen will». – «Ich kann mich doch nicht zerreißen, ich bin nur noch am Rotieren!», verzweifelt das Oberhaupt und bringt damit ein heute überaus verbreitetes Lebensgefühl zum Ausdruck. Wenn wir multiple Rollen annehmen, gebärden wir uns, halb Opfer, halb Täter, voller Stolz, doch nicht ohne Lamento, wie jene Artisten im Varieté, die auf vielen Stäben Teller rotieren lassen, hin- und herrennen und immer gerade jenen Teller erreichen und wieder zum Drehen bringen, der gerade am meisten eiert und herunterzufallen droht. Dabei gelingt ihnen noch das atemraubende Kunststück, einen weiteren Teller in Bewegung zu setzen und so die kunstvolle Hektik abermals zu steigern.
    Inter-Rollenkonflikte entstehen aber nicht nur um ein begrenztes Zeitbudget, sondern auch aufgrund inhaltlicher Unvereinbarkeiten. Dies ist uns bereits vertraut aus dem Beispiel der geplanten Weihnachtsfeier mit dem Säugling (S. 143ff.), wo die Freundin , die Schwester , die Mitbürgerin und die Selbstbedachte zu ein und derselben Angelegenheit sehr unterschiedlich Stellung bezogen. Dies war ein Beispiel aus dem Privatbereich. Noch viel brisanter sind derartige Rollenkonflikte im beruflichen und politischen Bereich, wenn ein Inhaber mehrerer Rollen in Situationen gerät (und zwangsläufig geraten muss), wo er, doppelt gebunden, einen objektiven Konflikt «intrapersonalisiert», wie ich es einmal nennen möchte, und Gefahr läuft, seinen Rollenauftrag zu verraten. Beispiel: Herr Dr. Vielwichtig ist Vorstandsmitglied beim Bankhaus Greif; gleichzeitig sitzt er im Aufsichtsrat der Multiplex AG, eines Hochbau-Unternehmens. Nun ereignet es sich, dass die Ministatik AG eine «feindliche Übernahme» ihres Konkurrenzunternehmens Multiplex anstrebt. Die Ministatik AG ist eine Kundin des Bankhauses Greif, sodass der Vorstand der Bank sich mit der Frage befassen muss, ob er sich durch Kreditvergabe in diesem Geschäft engagieren will. Nun gerät Dr. Vielwichtig in die Bredouille: Der Bankier in ihm ist hoch motiviert, dieses Geschäft zu befürworten, hingegen der Multiplex-Aufsichtsrat in ihm ist voller Entsetzen und Bedenken (s. Abb. 48).

    Abb. 48:
    Dr. Vielwichtig in einem

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