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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Hauptdarsteller an der Kontaktlinie ein hilfs- und einsatzbereiter netter Kerl und ein folgsamer Musterschüler , der kritiklos alles hinnimmt und für gut befindet. Chef und Chefin kriegen es ausschließlich mit diesen beiden zu tun. Aber Achtung, dringender Antipodenverdacht! Zurückgezogen hinter einer inneren Absperrung, kauern und lauern drei weitere und beklagen ihre Arbeitslosigkeit (vgl. Abb. 61): Ein kritischer Geist , der durchaus eigene Meinungen und ketzerische Gedanken hat; ein gesunder Egoist , der an sich selbst (und den wohlverdienten Urlaub) denkt; schließlich ein Wächter des eigenen Ehrgefühls , der sehr wütend werden kann, wenn er Vorwürfe als distanzlos und unverschämt erlebt.

    Abb. 61:
    Hauptdarsteller und verbannte Antipoden eines Bankmitarbeiters gegenüber Vorgesetzten und in Teambesprechungen
    Welcher Chef würde es nicht herzinnig begrüßen, von Leuten aus der ersten Reihe umgeben zu sein? Jedenfalls, wenn (wie hier) die Leistung stimmt!? Die lauernde Meute außerhalb der Bannmeile kann sehr ungemütlich werden: Wehe, wenn sie losgelassen! Die Verführung ist groß, sich mit der Vorzeigehälfte zufriedenzugeben und sie mit freundlichem Wohlwollen zu belohnen: Besonders wenn man bedenkt, wie brutal und herzlos das Berufsleben zum Teil sein kann, muss man nicht besonders selbstgefällig sein, um ein wenig Nettigkeit und höfliche Zurückhaltung zu schätzen. Dennoch schreit die beschriebene Situation nach äußerer und innerer Teamentwicklung – und zeigt deutlich, wie die eine mit der anderen untrennbar verschränkt ist. Die äußere Teamentwicklung müsste darauf angelegt sein, das kritische Potenzial der Gruppe zu erwecken, eine Streitkultur aufzubauen, in der jeder sich traut, deutlich auszusprechen, womit er (auf der Sach- und auf der Beziehungsebene) nicht einverstanden ist. Die Phasen des «stormings» (des Aneinandergeratens) und des «normings» (gemeinsam akzeptierte Spielregeln entwickeln, wann, wie und wo das geschehen kann) stehen an, sind in diesem Beispiel überfällig geworden und verlangen vom Teamleiter, dass er zu etwas einlädt, was ihm (zunächst) das Leben schwerer machen wird. Dennoch kann auch er nur gewinnen: Zwar ist es bequem und nervenschonend, von «netten Kerlen» umgeben zu sein, aber solche Kontakte machen mit der Zeit auch sehr einsam: Niemand sagt, was er still im Herzen meint. Wenn die Wahrheit der Beziehung ein Untergrundleben führen muss, zeigt sie sich maskiert: in Krankmeldungen, Kündigungen, Intrigen, übler Nachrede.
    Die übergroße Vorsicht im Umgang miteinander führt dazu, dass mit den kritischen Geistern auch die kreativen und unternehmungslustigen auf der Strecke bleiben. In einem Klima von Bravheit und Vorsicht hat jeder in seinem Inneren Team einen starken Sicherheitsbeauftragten , der bei der Wahl der Worte und Gedanken darauf achtet, «bloß keine Fehler» zu machen, und dies erreicht am besten, wer den bewährten Pfaden im Gleichschritt folgt. Zwar ist in den modernen Anforderungsprofilen für Mitarbeiter und Führungsnachwuchs von Kreativität, Kritikfähigkeit und unternehmerischem Denken die Rede, aber Hochglanzpapier ist vielfach geduldiger, als es Vorgesetzte sind, die einen solch unruhigen Geist in ihrer Abteilung menschlich verkraften sollen. Und ein Team, das aus lauter Querdenkern besteht, kann zum Albtraum werden!
    Aber verlassen wir hier die gedankliche Bahn, die uns zu Fragen der Gruppendynamik und der angemessenen Teamentwicklung führen würde. Unser Thema ist ja die innere Teamentwicklung, ohne die eine äußere nicht möglich ist. Unser Berichterstatter müsste es über sich bringen, seiner «ketzerischen Hintermannschaft» den Weg nach vorn an die Kontaktlinie freizumachen – möglichst ohne die beiden Stammspieler nun ihrerseits in Acht und Bann zu schlagen.
    «Ich hätte schon damals kündigen sollen!», schreibt er resigniert, setzt dann aber fort:
Das ist vielleicht nicht ganz richtig, stattdessen wäre wohl ein Assertive training [Training in angemessener Selbstbehauptung] eher für mich notwendig gewesen. Dieses habe ich aber zu der Zeit nicht erkannt bzw. auch nicht von solchen Möglichkeiten gewusst, und der Führungsebene fehlte für solche Einsichten leider das notwendige Feingefühl.
    Wenn wirklich nur eine Verbannung erster Stufe vorliegt, kann durch Ermutigung und Übung in einem Kommunikationsseminar und/oder in einem Teamtraining ein relativ schneller Durchbruch erzielt werden.

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