Mithgar 10 - Die schwarze Flut
Dornen aus, um zerkratzt und zerstochen zurückzukehren.
»Ach, das hilft doch nichts«, sagte Tarpi und betupfte einen Stich im Unterarm, während die Gruppe beim Abendessen saß. »Es ist, als wollte man ein endloses Labyrinth durchsuchen. Wenn sie wirklich da drin sind, dann werden wir dieses Rätsel im Leben nicht lösen.«
»Es ist allerdings ein Rätsel«, stimmte Patrel zu, »denn inzwischen müssten wir doch fraglos ein paar von ihnen gesichtet haben. Gut, vielleicht keine Wölfe, weil die klüger geworden sind und wieder ihr übliches Wild in den Wäldern jagen. Aber ein, zwei Vulgs hätten unsere nächtlichen Streifen mittlerweile doch eigentlich aufstöbern müssen. Und unsere Tagespatrouillen haben bislang nicht eine einzige Höhle gefunden.« Patrel verfiel in nachdenkliches Schweigen.
»Was wir hier brauchen«, sagte Danner, »ist eine Falle, die wir ihnen stellen. Oder wir warten, bis sie zu uns kommen. Wir brauchen eine Art Köder oder so etwas.«
»Was ist mit Hunden?«, fragte Tuck. »Ich wette, Hunde würden die Verstecke finden.«
»Nein, drüben in der Zweiten haben sie es mit Hunden versucht«, antwortete Patrel, »und sie hatten auch nicht mehr Glück als wir. Es ist, als wären die Vulgs mit einer Art Auftrag in die Sieben Täler gekommen, und jetzt, da sie ihn erfüllt haben, sind sie wieder weg. Aber wie dieser Auftrag ausgesehen haben könnte, weiß ich nicht.« Das wusste natürlich auch keiner der anderen, und wieder spürte Tuck die eisigen Finger eines unbekannten Geschicks über seinen Rücken wandern. Als sie am folgenden Tag bei Sonnenuntergang von ihrer Patrouille zurückkehrten, fanden sie das Lager in heller Aufregung vor. Eine Wagenkolonne mit Flüchtlingen aus der Feste Challerain war auf dem Oberlandweg durchgekommen; ihr Ziel war das Reich von Wellen im Westen. Danner, der Kochdienst hatte, beschrieb den Zug. »Lang war er, vielleicht hundert Wagen, beladen mit Essen und Haushaltsgütern, und Männer haben die Wagen gelenkt, hauptsächlich Alte, und Frauen mit ihrem Nachwuchs waren auch dabei. Groß sind sie, diese Leute, fast zweimal meine Größe, und ich bin kein solcher Winzling wie Tarpi hier.
Und die Eskorte, Soldaten zu Pferde, mit Helmen, Schwertern und Speeren. Cor! Große Pferde, große Männer. « Danner hielt nachdenklich inne, und es war das erste Mal, soweit sich Tuck erinnern konnte, dass er Danner be eindruckt sah. »Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis der Zug durch war«, fuhr Danner fort, »und der Hauptmann der Eskorte redete fast die ganze Zeit mit Hauptmann Darby. Dann sprang er einfach auf und ritt davon, als der letzte Wagen durchrollte. Und weg waren sie.« Danner biss von seinem Brot ab und kaute geistesabwesend, und seine bernsteinfarbenen Augen verloren sich in Gedanken aus anderer Zeit. Ein Durcheinander von Fragen und Anmerkungen brach aus der Gruppe hervor und prasselte auf Danner ein. Tuck ließ sich von der Begeisterung mitreißen, er vergaß sein Abendessen und war nicht wenig neidisch, weil er den Zug versäumt hatte. Doch bevor Danner auf das Geplapper antworten konnte, trat Patrel ans Feuer und bat um Ruhe. »Hauptmann Darby wird heute Abend zu uns sprechen, in nicht ganz einer Stunde, also esst zu Ende und erledigt rasch eure Küchenarbeiten. Wir sollen uns in Kürze beim Hauptquartier versammeln. Und jetzt an die Arbeit, denn wir haben wenig Zeit, wie es aussieht.«
Eilig schlang Tuck sein Essen hinunter, säuberte sein Essgeschirr und half mit bei den Töpfen und Pfannen. Bald waren alle Hausarbeiten erledigt, und die Gruppe traf sich mit den anderen beim Hauptgebäude. Hauptmann Darby war bereits dort, und eine Laterne, die an einem Pfosten nahe der Tür schaukelte, warf Schatten in sein Gesicht. Er sprach zu einigen Nahestehenden, dann sprang er auf eine Bank und blickte auf die Kompanie hinab. Die Nacht war kalt, leichter Schneefall hatte eingesetzt. Die Wurrlinge stampften mit den Füßen auf, um sich warm zu halten, und ihr Atem stieg als große weiße Wolke auf, wie von einem einzigen riesigen Lebewesen. Alle waren anwesend, bis auf die dritte Gruppe, die Jenseitswache hatte.
»Bokker«, begann Hauptmann Darby und hob die Stimme, damit ihn alle hören konnten, »einige der Gerüchte treffen zu. Im Norden, jenseits der Feste, braut sich tatsächlich Unheil zusammen. Hochkönig Aurion rüstet zum Krieg: Krieg mit Modru, dem Feind in Gron.« Ein kollektiver Schreckenslaut erhob sich aus der Mitte der Wurrlinge, denn das war in
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