Mithgar 10 - Die schwarze Flut
Gebiets erreichten, das man die Schlachtenhügel nannte, ein Name aus der Zeit des Großen Krieges. Sie schlugen im Windschatten eines Hügels in einem Kiefernwäldchen ihr Lager auf und verspeisten ein Abendmahl aus getrocknetem Wildbret und Hirse, eine geschmacklose, aber nahrhafte Wegzehrung; dazu tranken sie kräftigen, heißen Tee. Nach dem Abendessen schnitt Tuck einige Kiefernzweige ab und band sie zu einer großen Zielscheibe zusammen, und bis tief in die Nacht hinein mischten sich die Geräusche von Pfeil und Bogen in das Knistern des Feuers und das Seufzen des Windes.
Bei Sonnenaufgang wurden viele durch den dumpfen Einschlag von Tucks Pfeilen geweckt, und sie staunten über seine Hingabe, denn wie sie sahen, traf er genau. »Cor«, keuchte Sandor Pendler aus Mittwald und half ihm, die Schäfte einzusammeln, »du bist aber ein guter Schütze. Vielleicht sogar ein besserer als Hauptmann Patrel.«
»Du solltest erst mal Danner schießen sehen«, erwiderte Tuck. »Der stellt uns alle in den Schatten.« Und damit nahm er seine unbarmherzige Übungstätigkeit wieder auf und zielte von nah und fern, den Hügel hinauf, den Hügel hinab. Er unterbrach für eine Frühstückspause, während sein Pony etwas Getreide bekam, dann ging es weiter. Doch schließlich wurde es Zeit zum Aufbruch, die Wurrlinge saßen auf und trieben ihre Ponys aus dem Gehölz hinaus, und sie setzten ihre Reise nunmehr auf der Poststraße in nördlicher Richtung fort.
Zur Mitte des Vormittags begann es zu schneien, es ging jedoch kein Wind, und der Horizont verschwand hinter einer dichten Flockenwand. Die Wurrlingskolonne kämpfte sich verbissen weiter, die Ausläufer der Schlachtenhügel nun zur Rechten und das sanft abfallende, flache Land bis hin zum fernen Spindelfluss zu ihrer Linken. Ein düsteres graues Schweigen begleitete sie auf ihrem Weg.
Während sich der trübe Tag in den Nachmittag hineinschleppte, fiel noch immer Schnee. Tuck ritt an der Spitze der Kolonne, als er aufschaute und Pferde und einen Wagen schemenhaft durch den Flockenwirbel auftauchen sah.
Es war die Vorhut eines Flüchtlingstrecks, und der Jungbokker wich zur Seite aus und ließ die Pferde und knarrenden Wagen in südlicher Richtung passieren. Menschen wie Wurrlinge beäugten einander, und Patrel sprach kurz mit dem Hauptmann der Eskorte. Der Flüchtlingszug war annähernd zwei Meilen lang, und es dauerte fast eine Stunde, bis die beiden Kolonnen einander passiert hatten und der letzte Wagen in südlicher und der letzte Wurrling in nördlicher Richtung entschwand. »Sie sind auf dem Weg nach Trellinath«, erklärte Patrel. »Alte Männer, Frauen und Kinder. Quer durch die Sieben Täler, dann nach Süden durch Wellen und die Kaelschlucht. Du meine Güte, was für eine anstrengende Reise.« Tuck sagte nichts, und sie ritten weiter nach Norden.
Vier Tage später schlugen sie ihr Nachtlager in den letzten nördlichen Ausläufern der Schlachtenhügel auf. Sie waren zwei Tage lang nach Norden geritten, hatten sich zwei weitere in östlicher Richtung bewegt, und nun wandte sich die Straße allmählich wieder nach Norden. Sie richteten sich in einem Zedernwäldchen ein, vielleicht eine Achtelmeile von der Straße entfernt. Die Sonne war bereits untergegangen, und der Vollmond stand am Nachthimmel. Tuck hatte seine Schießübungen beendet, er saß am Lagerfeuer und schrieb in sein Tagebuch.
»Noch zwei Tage, vielleicht drei, dann sind wir da, hab ich recht, Patrel?«, fragte er und hielt in seiner Niederschrift inne. Als Patrel nickte, machte er noch einen Vermerk in sein Journal, dann klappte er es zu und steckte es in seine Jackentasche. Bald darauf hatten sich außer den Wächtern alle zur Ruhe gelegt. Doch kaum schien Tuck die Augen geschlossen zu haben, wachte er, von Delber geschüttelt, in dem unbeleuchteten Lager wieder auf. »Psst!«, ermahnte ihn der junge Wurrling. »Es ist Mitternacht, und auf der Straße nähert sich etwas.« Tuck schlich lautlos durchs Lager und weckte andere, die sogleich zu ihren Bogen griffen. Nun hörten alle das Klirren von Rüstungen und das Klappern von Waffen inmitten des dumpfen Trampeins zahlreicher Hufe. Unterhalb von ihnen galoppierte ein Zug berittener Soldaten im hellen Mondschein nach Norden. Die Wurrlingskompanie ließ sie vorüberreiten, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Als die Soldaten außer Sicht waren, zündeten die Jungbokker ein neues Feuer an und legten sich wieder schlafen.
Den ganzen folgenden Tag saßen
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